Volltext: Jahresbericht 1971 (1971)

stellen, liegen doch im Gesicht mehrere Farbschichten übereinander, 
während der lasierend dünn aufgetragene weißliche Bildgrund den war- 
men Goldton der Holztafel durchschimmern läßt. Die Konzentration auf 
die besonders sorgfältige Durchgestaltung der Bildmitte ist allerdings ein 
altbekanntes Phänomen in der europäischen Malerei — seit der Renais- 
sance! Einmal mehr bewahrheitet sich Picassos bewegter Ausruf vor 
seinen 1946 dem französischen Staat geschenkten und im Louvre neben 
den Meisterwerken seiner Landsleute, neben Velazquez und Goya, aus- 
gestellten Bildern: «C’est la meme chose, c’est la meme chose!» 
Mit den vier Ende Januar 1961 gemalten Bildern erlischt Picassos Inter- 
esse an dieser Werkreihe nicht. Ende 1961, Anfang 1962 nimmt er das 
Thema mit einem Bild und mehreren farbigen Zeichnungen wieder auf. 
1963 schließlich übernimmt er in Eisenblech die Formen des einen am 
27. Januar 1961 gemalten Bildes. Unter dem Titel «L’idege pour une 
sculpture, Theme et Variations» wird der ganze Zyklus im Sommer 1970 
in der Luzerner Galerie Rosengart in einer Ausstellung vereinigt. 
Formal betrachtet ist «Femme au chapeau» ein charakteristisches Werk 
des Altersstiles, der immer wieder auf den Erfahrungsschatz der früheren 
Perioden zurückgreift und so Charakteristika verschiedener Zeiten in 
einem einzigen Werk zu einer neuen Einheit zusammenfügt. So geht 
letztlich die aus En face- und Profilansicht kombinierte Gesichtsbildung 
auf ein kubistisches Postulat zurück, das mehrere Ansichten desselben 
Gegenstandes gleichzeitig und flächig in die Bildebene aufgeklappt vor- 
getragen hat. Mit diesem Mittel, das den Tiefenillusionismus der Zentral- 
perspektive negiert, erreichte der kubistische Maler, daß bei Verwendung 
ausschließlich flächiger Gestaltungsmethoden der Betrachter dennoch 
wahrnehmen konnte, daß der dargestellte Gegenstand ein Volumen und 
somit auch mehrere Ansichtsseiten hat. In den späteren Jahren überlagert 
sich bei Picasso dieses Gestaltungsprinzip, das im Kubismus aus formalen 
Überlegungen heraus entwickelt wurde, mit Deformationen, deren Ur-
	        
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