war allgemeiner, nicht-psychologischer Natur, sie hatte ausgesprochen
«sakralen» Charakter. Es war leicht einzusehen, warum Rothko die Pro-
fanierung fürchtete und warum ihn diese Befürchtung so erregte.
Freilich — es sind nicht eigentlich «Bilder» in unserem klassisch-huma-
nistischen Sinn, es sind Meditationstücher, Ikonen, Kontemplationstafeln,
geschmückte Zeltwände, die das Numinose abschirmen, aber von dieser
außen befindlichen Macht bewegt werden. Mit seinem «Imago» hat
Rothko einen neuen Entwurf des Meditationsbildes geschaffen, das in
seinem mythisch-religiösen Raum Gegenbild zur ästhetischen Ikone Mon-
drians ist. Die Historiker sollten sich endlich einmal vor diesen Bildern
über eine ganz erstaunliche Tatsache klarwerden, daß nämlich das Juden-
tum, das über mehr als zwei Jahrtausende «bildlos» geblieben war, in
unserem Jahrhundert und über die meditativen Verfahren, die die mo-
derne Kunst entwickelt hat, zu einem eigenen bildhaften Ausdruck, zu
einer eigenen jüdischen Kunst gefunden hat. Und das im gleichen Zeit-
raum, als Israel als die alte Heimstatt wiedererstand.
Auch im isolierten Bild, mit dem wir es ja in dieser Ausstellung zu tun
haben, hat Rothko dafür gesorgt, daß sein Charakter als Meditationstafel
immer erkennbar bleibt. Man würde es zum Beispiel zerstören, wenn man
es rahmen und damit zum «Galeriebild» machen würde. Rothko legt
allen seinen Bildern eine monochrome Grundfläche zugrunde, Er durch-
tränkt seine Leinwand derart mit Farbe, daß sie ihren materiellen Cha-
rakter verliert und als fluoreszierender Grund erscheint. Dann zieht er
diese durchtränkten Gründe um die Bildkanten und über die Seitenflächen
seiner ziemlich dicken Keilrahmen herum. Durch diese farbige Zwischen-
zone löst sich das Bild optisch von der Wand und hält sich dem Betrachter
entgegen.
Auf dieser «schwebenden» Tafel erscheinen als einzige Bildfigur mono-
chrome Streifen und Rechtecke, die auf dem farbigen Grund als reine
Lichterscheinung wirken und deshalb auch keine Schwerkraft haben.