Full text: Jahresbericht 1971 (1971)

auch in Chromstahl-Skulpturen von Antes auf. Zwischen Figur und 
Scheibe liegt ein großes Ei, ein Fremdkörper inmitten der vielen amorphen, 
teils aber pyramidalen Gesteinsbrocken, die durch starke Verkleinerung 
nach hinten die Illusion großer Tiefe unterstreichen. Dem Anschein eines 
ins Unendliche zurückgesetzten Horizonts der steinwüstenhaften Land- 
schaft steht die Entdeckung entgegen, daß hinter der Figur statt eines 
weiten Himmels sich eine Wand quer durch das Bild schiebt, eine Mauer- 
fläche, auf der — rund um die in plastischer Körperhaftigkeit dargestellte 
grüne Sitzfigur — vorbereitende, in graubraunen Tönen skizzierte Varian- 
ten der Figur in wechselnder Proportion sichtbar werden. 
Nach solchem Ablesen und Aufzählen des Dargestellten wird man nach 
seinem Sinn suchen, der sich offensichtlich nicht ohne weiteres aus der 
Summe der Motive und ihren Relationen ergibt. Dieses Rätselvolle, weder 
unmittelbarem Augenschein noch detektivischer Akribie sich Enthüllende 
gehört zu den faszinierenden Aspekten der Kunst von Antes. Jedes Bild 
erweist sich als ein komplexes Ganzes. Bewußt gesetzte Motive rufen 
andere, ohne das willentliche Tun des Malers sich einstellende Motive. 
Diese brechen aus Zonen hervor, die seinem Bewußtsein entzogen blei- 
ben. Rationales und Irrationales, Bewußtes und Unbewußtes durchdrin- 
gen, verbinden sich. 
Antes liefert keine «Erklärungen» für seine Bilder, hütet sich, mit Deu- 
tungen dem Betrachter an die Hand zu gehen. So sind wir auf unser Sen- 
sorlum, unseren eigenen Bildungsschatz, unsere eigene Erlebnisfähigkeit 
angewiesen, Man wird im vorliegenden Fall nicht fehlgehen mit der Deu- 
tung auf eine Meditationsfigur. Männer, die das Irdische überwunden 
haben, ihren Blick auf Überirdisches, Jenseitiges richten, erscheinen in 
der Kunst oft als nackte Weise. Buddha beispielsweise, oder der Täufer. 
In Wüsteneinsamkeiten ziehen sich Einsiedler zurück; es gibt sie in allen 
Kulturkreisen und Religionen. Vielleicht weist auch die transparente Ge- 
sichtsmaske, die die Zone des Denkens hervorhebt, in diese Richtung: 
ı JUL
	        
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