Ambivalenten und intrigiert gerade dadurch den Zeitgenossen, der nur allzu
gerne mit verstandesklarer Ratio seine Umwelt zu ergründen sucht.
«Bowery» von George Segal ist 1970 entstanden, das heißt mehr oder
weniger zur gleichen Zeit wie « Josef Boss»: eine Welt jedoch scheint
die beiden Werke zu trennen! Fügt der eine Künstler Fundgegenstände
in einem von formalen Gesichtspunkten aus konzipiertem Ganzen zu-
sammen, so übernimmt der andere Wirklichkeitsfragmente ohne jede
Veränderung in eine Szene, die zwar formal sehr bewußt gestaltet, primär
jedoch von ihrer Aussage her verstanden werden will.
Was will Segal aussagen? Der Titel des Werkes « Bowery » gibt den prä-
zisen Ort des Geschehens an. «Bowery» ist eine Straße in Downtown
Manhattan, die zur Zeit der Jahrhundertwende recht fashionabel gewesen
sein muß, was mehrere noch heute stehende massive Steinhäuser im
pompösen Stil der Gründerjahre beweisen. Die Tage satten Bürgertums
sind jedoch längst vorbei: Zwischen die verfallenden Palazzi schiebt sich
schuttbedecktes Niemandsland, auf der Straße türmen sich Abfälle und
Autowracks, die vergeblich darauf warten, beseitigt zu werden — kurz,
auch die «Bowery» ist eines jener zahlreichen Beispiele des amerikani-
schen Städte- und Quartiersterbens, das sich zum brennendsten innenpoli-
tischen Problem der Staaten auszuwachsen droht. (Eine gewisse Berühmt-
heit erlangte die Bowery dadurch, daß seit den sechziger Jahren Künst-
ler wie Al Held, Lichtenstein und andere hier Ateliers besitzen.) In Segals
« Bowery » erinnert an die vergangene Prachtentfaltung ein verschnörkel-
ter Konsolenfries, über dem sich eine lieblose Wellblechwand erhebt;
beides ist giftgrün gestrichen, die unwirtliche Atmosphäre des Ortes ak-
zentuierend. Vor dieser kargen Umweltsandeutung zwei Figuren, die eine
liegend, die andere nachlässig angelehnt stehend. Keine erzählerischen
Details deuten darauf hin, was mit dem Liegenden geschehen ist. Schläft
er? Ist er betrunken? Wurde er zusammengeschlagen? Ist er tot? Gleich-
AM