Full text: Jahresbericht 1972 (1972)

ZU EINIGEN NEUERWERBUNGEN DER GEOMETRISCHEN KUNST 
Wenn der Name Zürich im Kunstschaffen unserer Zeit internationalen 
Klang besitzt, verdankt er dies dem Wirken der in dieser Stadt tätigen 
Künstler der konstruktiv/geometrischen Richtung, der Zürcher Kon- 
kreten. Es ist deshalb Pflicht des Kunsthauses, diese Kunst in seiner 
Sammlung so gültig wie möglich zur Darstellung zu bringen. Im folgen- 
den sollen einige Neuerwerbungen besprochen werden, die alle in enge- 
rem oder weiterem Sinne der geometrischen Kunst zugerechnet werden 
können, wobei wir uns bewußt sind, daß diese geometrische Kunst keine 
einheitliche, in sich geschlossene Stilrichtung bildet, sondern daß vielmehr 
die geometrische Form Träger der verschiedensten — konstruktiver oder 
emotional bedingter — Ausdrucksformen sein kann. 
JOHANNES ITTEN (1888-1967), der das früheste der 1972 erworbenen Bil- 
der gemalt hat, «Aufstieg und Ruhepunkt», 1919, ist nach seiner Berufung 
als Direktor der Zürcher Kunstgewerbeschule (19538) und der damit ver- 
bundenen, definitiven Übersiedlung in unsere Stadt oft im Zusammen- 
hang mit der Schule der Zürcher Konkreten genannt worden, obwohl er 
deren betont konstruktive Gestaltungsmethoden nie übernommen hat. 
Zudem hat Itten bis in seine späteste Zeit hinein ein Fülle von Natur- 
studien geschaffen, worin sich sein Interesse für die organische wie für 
die abstrakte Form spiegelt. Tatsächlich könnte man sein gesamtes Schaf- 
fen unter dem Aspekt dieses Kontrastes sehen. Wir sind deshalb Frau 
Anneliese Itten zu größtem Dank verpflichtet, daß sie der Sammlung 
des Kunsthauses das Bild « Geometrisch/Organisch» von 1958 geschenkt 
hat, das in exemplarischer Weise die erwähnte Spannweite zusammenfaßt 
und deshalb als eine der umfassendsten Aussagen aus Ittens Alterswerk 
anzusprechen ist. Wobei Itten nicht nur den Kontrast von abstrakter und 
naturgegebener Form sucht — das Prinzip des Kontrastes überhaupt be- 
herrscht sein ganzes bildnerisches Denken. Kontrast läßt sich auch aus 
dem bereits genannten Werk von 1919 herauslesen: «Aufstieg und Ruhe- 
„J
	        
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