Ausloten und Weiterentwickeln einer in einer «klassischen » Periode 
entstandenen Bildvorstellung kommt für die Entwicklung der Kunst — 
und nicht nur der Kunst — entscheidende Bedeutung zu, genügt doch 
nicht nur die Tat des Pioniers: Um wirksam zu werden, muß diese auf- 
gegriffen und auf ihre Tragfähigkeit geprüft werden. 
Das letzte Bild der hier vorzustellenden Reihe stammt von einem Ameri- 
kaner. « Odelsk IV», 1971, von Frank Stella (geboren 1936). Wo sich der 
Europäer um Gesetzmäßigkeiten und Ordnungsverhältnisse kümmert, 
verfährt der Amerikaner mit vergleichsweise unbekümmerter Freiheit. 
« Odelsk IV» baut sich aus einem Zusammenprall geometrischer Flächen 
auf, die keinen Konstruktionsregeln folgen. Wie immer bei Stella, der in 
Amerika als Erfinder des «Shaped Canvas» gilt, ist das Bild von unregel- 
mäßigem Umriß; das Zusammenfallen von Bildmotiv mit Bildfläche, das 
«all over» der amerikanischen Malerei, trifft sich hier gewissermaßen mit 
der bereits erwähnten Forderung der Zürcher Konkreten, auch wenn sich 
diese ausschließlich der strengeren Form der rechtwinklig begrenzten 
Bildtafel bedienen. « Odelsk IV» gehört in die bisher letzte Entwicklungs- 
phase des Künstlers, der in Europa vor allem durch seine fein strukturier- 
ten schwarzen und silbergrauen Tafeln sowie durch seine in überschwäng- 
licher Farbigkeit prangenden «Farbräder» bekannt geworden ist. An- 
stelle der Buntheit der vorangegangenen Zeit geben sich die 1971 ent- 
standenen Bilder in farblicher Hinsicht zurückhaltender, sind jedoch in 
ihrem Oberflächencharakter durch die Verwendung von mancherlei Col- 
lageteilen differenzierter. Die sich dadurch ergebende, wenn auch minime 
Reliefwirkung unterstützt die kräftigen Überschneidungen der Kompo- 
sition, die nicht nur durch das dynamische Auseinanderstreben der ein- 
zelnen Teile bestimmt wird, sondern auch durch subtile Details, wie 
etwa das stellenweise Absetzen der Detailformen durch Konturierung oder 
die leise Abweichung der Balkenformen von der rechtwinkligen Um- 
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