links, in der über der jungen Frau, die soeben geboren hat und blutend
auf dem Bett liegt, die Hebamme mit dem Kind wie eine urtümliche
Muttergottheit, vom roten Baldachin umrahmt, die Szene beherrscht, und
in eine männliche rechts, in der Gestik und Wort zu dominieren scheinen.
In der Nahtstelle der beiden Bereiche findet sich die Figur des Vaters,
halbversteckt unter dem Bett sich aufrichtend, durch den herabhängen-
den Vorhang formal deutlich der unmittelbaren Szene der Geburt zu-
geordnet, aber doch als Eindringling in dem von der Frau durchlittenen
Mysterium der Menschwerdung.
Das Thema der Geburt nimmt Chagall 1911 erneut in einer größeren,
vielfigurigen Komposition, die deutlich die Auseinandersetzung mit dem
Kubismus zeigt (The Art Institute Chicago), und in einer kleinen Fassung
(Privatbesitz Basel) auf.
Le martyr, 1940 (Abb. 2)
Das Bild des Märtyrers ist zwischen den beiden Kreuzigungsdarstellungen
von 1938 und 19453 entstanden, das heißt es gehört in eine Reihe von Bil-
dern, in denen Chagall seiner Bestürzung über das Kriegsgeschehen in
gleichnishafter und formal jeweils ähnlicher Weise Ausdruck verleiht.
Die die Bildmitte beherrschende Figur des Märtyrers ist mit einer moder-
nen, verbeulten Schildmütze und mit einem weißen Tuch mit schwarzen
Streifen bekleidet, das heißt mit einem jüdischen Betschal. Während be-
reits Chagalls Kreuzigungsdarstellungen Christus nicht als Erlöser, son-
dern als denjenigen zeigen, der das Leid der Welt auf sich nimmt, so wird
dieser Aspekt des Demütigen in unserem Bild verstärkt, er wird zum
eigentlichen Bildinhalt.
Chagall, der immer wieder — wir haben dies bereits bei der Geburt fest-
gestellt — zwei Bildhälften einander gegenüberstellt, scheint auch in die-
sem Bild eine eher dem kulturellen Erbe verpflichtete linke Seite mit einer