Volltext: Jahresbericht 1973 (1973)

ZWEI SURREALISTISCHE BILDER 
Der Surrealismus, der in der Regel nach Kubismus und Konstruktivismus 
als wichtigste künstlerische Entwicklung der ersten Hälfte unseres Jahr- 
hunderts genannt wird, ist, wie bereits im ersten Teil dieses Jahresberichtes 
angedeutet, im Zürcher Kunsthaus zahlenmäßig relativ schwach vertre- 
‚en. Dies ist um so bedauerlicher, als gerade der Surrealismus keine ın sich 
geschlossene Bewegung war, die zu belegen einige wenige Beispiele genü- 
gen würden. Im Gegensatz zum Kubismus, dessen Hauptvertreter in den 
frühen, entscheidenden Jahren sich einer größtmöglichen Anonymität 
unterwarfen, um die neu entdeckte Formensprache um so reiner zur Gel- 
tung zu bringen (es bereitet zuweilen eine gewisse Schwierigkeit, die be- 
zeichnenderweise oft nicht signierten Bilder Braques und Picassos aus den 
Jahren um 1910/11 voneinander zu unterscheiden), hat der Surrealismus 
von Anfang an aus dem Neben-, oft auch Gegeneinander äußerst unter- 
schiedlicher Künstlerpersönlichkeit bestanden. Ohne Zweifel liegt die 
Tendenz zum Individuellen dieser die Zwischenkriegszeit dominierenden 
Strömung mit darin begründet, daß es sich beim: Surrealismus weniger 
um einen Stil als vielmehr um eine Lebenshaltung handelt. Andre Breton 
hat den Surrealismus in seinem Manifest von 1924 mit folgenden Worten 
definiert: «reiner psychischer Automatismus, durch welchen man, sei es 
mündlich, sei es schriftlich, sei es auf jede andere Weise, den wirklichen 
Ablauf des Denkens auszudrücken sucht. Denk-Diktat ohne jede Vernunft- 
Kontrolle und außerhalb aller ästhetischen oder ethischen Fragestellun- 
gen». Er fährt fort: «Der Surrealismus beruht auf dem Glauben an die 
höhere Wirklichkeit gewisser, bis heute vernachlässigter Assoziations- 
Formen, an die Allgewalt des Traums, an das absichtsfreie Spiel des Ge- 
dankens. Er zielt darauf hin, die anderen psychischen Mechanismen zu 
zerstören und ihre Stelle einzunehmen zur Lösung der wichtigsten Le- 
bensprobleme.» Ohne diese Aussage des Wortführers und wichtigsten 
Theoretikers des Surrealismus zu überanstrengen und allen in diesem 
Zusammenhang genannten Malern als Credo anzulasten, muß doch fest-
	        
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