Full text: Jahresbericht 1974 (1974)

NICOLAS DE STAEL: « COMPOSITION EN NOIR », 1946 
Die Composition en noir von de Sta&l ist 1946 datiert. Wenn man sich 
jene Jahre unmittelbar nach dem Krieg ins Gedächtnis zurückruft, so 
bleibt die Erinnerung an eine Zeit, in der man nach der Abgeschlossen- 
heit der vorangegangenen Kriegsjahre mit freudigem Erstaunen davon 
Kenntnis nahm, dass auch eine scheinbar so totale Katastrophe nicht ver- 
mocht hatte, das Fortleben, mehr: das Fortschreiten der Kunst zu unter- 
drücken. Man wurde nicht nur überrascht durch die inzwischen entstan- 
denen Werke von Künstlern, die man von früher her kannte — derjenigen 
also, die man heute bereits zu den Klassikern der Moderne zählt —, es 
zeigte sich auch, dass trotz denkbar ungünstigen Verhältnissen eine neue 
Generation von Künstlern hervortrat, die — in manchem zwar das Bei- 
spiel der Ältern beherzigend — doch andere Wege ging und zu einer Farb- 
und Formsprache gelangt war, die neu und zukunftsträchtig schien. Sah 
man zunächst eher das Gemeinsame bei diesen Künstlern, die man heute 
mit der richtigerweise sehr wenig Spezifisches aussagenden Bezeichnung 
Ecole de Paris zusammenfasst, so zeigte es sich sehr bald, dass sie, was ja 
eigentlich selbstverständlich ist, sehr verschiedenartige Persönlichkeiten 
waren, die sich notwendigerweise je länger je mehr auseinander entwik- 
kelten und zu verschiedenen Formen der Aussage kommen mussten. Dies 
trifft in hohem Mass auf Nicolas de Sta&@l zu, der in wenig mehr als zehn 
Jahren — er ist 1955 gestorben — ein höchst eindrückliches, in allen seinen 
Phasen eigenständiges Werk hinterlassen hat. Das erschien einem nicht 
erstaunlich, wenn man dem schlanken, hochgewachsenen Künstler be- 
gegnete, spürte man doch unter urbanen Formen die innere Unruhe, 
die Gespanntheit einer höchst intensiven Persönlichkeit. Er war Wahl- 
franzose, nach dem Kriege naturalisiert, doch spürte man deutlich sein 
anderes Herkommen. Geborener Russe, genauer genommen Balte, kam 
er früh elternlos nach Brüssel, wo er eine humanistische Bildung an einem 
Jesuitenkolleg erhielt, später die Akademie besuchte. Er hatte noch vor 
dem Krieg die Möglichkeit, zu reisen, mit der ihm eigenen Leidenschaft
	        
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