Volltext: Jahresbericht 1975 (1975)

standen (« Cöte de Gräce» und die gegen- 
überliegende « Pointe de la Heve»), auf 
denen das Festland einen grossen Teil der 
Bildfläche beherrscht. Daneben aber entstand 
auch ein weiter Ausblick auf das Meer: das 
Bild des Kunsthauses?. 
Dieses Bild ist auch insofern ein interessantes 
Dokument, als es charakteristische Stil- 
elemente der Frühzeit des Impressionismus 
enthält, auf der andern Seite Monet aber 
auf dem Weg zur Ausbildung seines sehr 
persönlichen Stils zeigt. Ein wolkiger Tag am 
Meer mit frischer Brise (Monet war im Spät- 
sommer und Herbst in Honfleur) ist dar- 
gestellt; Raumweite, das Strömende und 
Bewegte des Meeres wurden zum eigent- 
lichen Inhalt des Bildes, in dem der Himmel 
nahezu zwei Drittel der Bildfläche einnimmt. 
Die weniger stabilen Elemente — Teile 
des Festlandes, der Leuchtturm — sowie die 
bewegten Formen der Segel- und Ruder- 
boote sind aus der Mitte gegen den Bildrand 
hin weggerückt. 
Die traditionelle Perspektive mit ihren klaren 
Fluchtlinien ist zwar nicht ganz aufgegeben, 
jedoch kombiniert mit aus der Achse 
genommenen Bildelementen, die ein 
wesentliches Stilelement des Impressionismus 
sind. Man geht wohl nicht fehl, wenn man 
darin und in der starken Aufsicht — dem 
Blick von einem erhöhten Standpunkt aus — 
den Einfluss fernöstlicher Prinzipien sieht, 
wie sie bei den Impressionisten in Paris In 
jenen Jahren zur Diskussion standen. 
Auffallend ist auch die horizontale Schich- 
tung der Bildteile, die bei vielen impressio- 
nistischen Bildern zur Regel werden sollte. 
Symptomatisch für die neue Tendenz im 
Kolorit, die sich seit 1865 bemerkbar macht, 
ist der helle Gesamtcharakter. Monet war 
für die Luminosität des Himmels In der 
Normandie besonders empfänglich. Er malte 
in diesem Bild eine gleichgestimmte, 
kontrastlose und lichterfüllte Helle in grau- 
beigen Tönen, welche alle physische 
Schwere verloren hat und in der sich 
Schatten und opake Farben auflösen. Der 
Prozess der Aufhellung und Auflösung von 
den ersten schweren, in tiefen Tönen 
gehaltenen Honfleur-Landschaften bis zu 
der « Pointe de la Heve»? lässt sich deutlich 
verfolgen. Dennoch sind Gegenstände 
noch mit dem stellenweise unterbrochenen 
Kontur in der Art Manets gefestigt, wie auch 
die Wellen durch feine Strichlagen 
charakterisiert sind. Während die Wasser- 
fläche noch verhältnismässig kompakt 
gegeben ist, sind die Wolken locker und 
transparent in energischem, schwungvollem 
Pinselstrich aufgetragen. 
Monet hat auf das Motiv unseres Bildes 
zurückgegriffen, als er 1865 ein «tableau 
serieux» für den offiziellen Salon malte. In 
diesem Werk, « Embouchure de la Seine »®, 
malte er das bewegte Naturschauspiel der 
steigenden Flut kontrastvoller und farbiger 
als auf dem « Phare ä Honfleur». Er ver- 
suchte, dem Geschmack der Zeit und der 
Salonbesucher entsprechend, aus einer 
pleinairistischen Niederschrift, die unter dem 
unmittelbaren Eindruck von Wetter und Licht 
entstanden war, eine im Atelier gemalte 
«fertige» Komposition zu gewinnen. Die 
unmittelbare Empfindung und spontane 
Übersetzung eines Seherlebnisses ging 
dadurch freilich zum Teil verloren. 
Mit dem neuen Bild ist die Monet- Kollektion 
im Kunsthaus Zürich, die die verschiedenen 
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