auf das in Verkürzung erscheinende Bild auf
der Staffelei. Das andere Gemälde, welches
den Pflüger darstellt, bleibt bis auf einen
schmalen Streifen, der noch in vollem Licht
zu sehen ist, hinter der Staffelei im Halb-
schatten, so dass die langgezogene weisse
Bergkette wie in einer klaren Nacht in
gedämpfter Helle sichtbar und der pflügende
Bauer mit seinem Gespann eben noch
erkennbar ist. Auf den ersten Blick will es
fast scheinen, als ob sich das Pflügen im
Raum selber abspiele, eine Täuschung, die
dadurch gefördert, wenn nicht hervor-
gerufen wird, dass eine scharfe Bogenlinie
rechts von der Staffelei eine hell beleuchtete
Bodenpartie von einer dunkleren Zone ab-
grenzt, was zur Folge hat, dass der flüchtige
Betrachter alles, was rechts von dieser
Schattenlinie ist — nämlich das Bild des
Pflügers und die im Schatten befindliche
Bodenpartie — als Einheit sieht. Erst bei
genauerem Hinsehen wird klar, wie genau
der Maler durch feine Unterschiede der Farb-
töne und des Farbauftrages die Trennung
zwischen dem unteren Rand des Bildes und
dem Boden, auf dem es steht, angedeutet hat.
Man hat den Eindruck, dass solche Fein-
heiten ihm richtig Vergnügen bereitet haben.
Das wird vollends deutlich im Spiel mit dem
Schatten des jungen Mädchens. Dieser fällt
auf den Boden, vor allem aber auf die
Rückwand des Raumes. Während er aber
dort als relativ amorpher Fleck, wenn auch
die Rundung des Kopfes verratend, erscheint.
zeichnet sich das Profil des Mädchens, vor
allem die Nasenpartie, in feiner Genauigkeit
auf der oberen Ecke des den Pflüger dar-
stellenden Bildes ab: in einem kleineren
Massstab gehalten und übrigens auch farbig
differenziert, da ja das Bild, auf das der
Schatten fällt, der Lichtquelle näher ist als die
Rückwand des Raumes. Solche genauen
Beobachtungen des Spiels von Licht und
Schatten und ihre geistreiche Verwendung
erscheinen in vielen Werken Segantinis.
Sie kennzeichnen schon manche Bilder der
italienischen Zeit, etwa jenes, das eine Herde
von Schafen im Mondschein darstellt.
Dort werfen die Tiere ihre Schatten vor sich
her, so dass sich ein eindrucksvolles Schatten
ornament bildet, das in der Komposition
des Bildes eine wichtige Rolle spielt. Wie
denn überhaupt zu sagen ist, dass solche
Beobachtungen und artistischen Spiele nie
Selbstzweck sind, sondern stets dem Bild-
aufbau, der Stimmung des Ganzen dienen.
Wenn man «1 miei modelli» als Ganzes
betrachtet, so wird man sagen dürfen, dass
es in der Vielfalt seiner Bezüge gleichsam ein
Konzentrat von Segantinis Wollen und
Können darstellt. Es weist nicht nur, wie der
Titel andeutet, auf die Hauptthemen, die
den Künstler beschäftigt haben, hin, sondern
gibt zugleich einen Begriff vom Reichtum
seiner malerischen Möglichkeiten. Was aber
das Erstaunlichste und gar nicht selbst-
verständlich ist: es ist bei alledem nicht
verquält, sondern ein Bild von starkem
Stimmungsgehalt, das auch den unvor-
bereiteten Betrachter direkt anspricht, und
das ist wohl die Hauptsache.
Rene Wehrli
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