Volltext: Jahresbericht 1975 (1975)

Akzent. Der gesamten Serie von insgesamt 
10 Bildern zu diesem Thema ist gemeinsam 
ein gerasterter Hintergrund — ein Effekt, den 
Lichtenstein aus der Werbegraphik über- 
nommen hat — sowie die Beschränkung auf 
nur wenige Farbakzente. Alle Bilder sind In 
Öl und Magna gemalt, die Punktierungen der 
Hintergründe zwar schabloniert, aber von 
Hand aufgetragen. Das Zürcher Bild hat 
einen schwarz gepunkteten Grund, der 
Pinselstrich ist gelb, schwarz konturiert 
wiedergegeben. 
wird. Gerade das können wir auch bei der 
Serie der « Brushstrokes» beobachten. Der 
«Pinselstrich» ist eine ironische Antwort 
Lichtensteins auf die Malerei des Pinsels, 
auf die Malerei, die aus dem Gestus der Hanc 
lebt, die die Sensibilität des Künstlers im 
Pinselstrich offenbart. Er ist das äusserste 
Gegenteil dessen, was man unter « Peinture » 
versteht. In diesem Pinselstrich wird keine 
Gestimmtheit des Künstlers spürbar, es fehlt 
ihm jegliche seismographische Aussage und 
Spontaneität. Der « Brushstroke» ist eine 
Antihaltung gegen die Aktionsmalerei und 
zugleich ihr ironischer Kommentar. In der 
Einfachheit der Darstellung erhält er emble- 
matischen Charakter. Der Pinselstrich ist zu 
einer konkreten Form geworden, wie ein 
Gegenstand behandelt. Der Duktus des 
Malers hat sich zu einem eigenständigen 
Bild verfremdet. Ironischerweise malt 
Lichtenstein auch noch Tropfen und 
Dripping, um den Charakter des Pinselstrichs 
zu unterstreichen. Aber sie sind ebenso 
«Form», die festgelegte und gefrorene 
Bewegung ist wie der Pinselzug selbst. Der 
gerasterte Hintergrund ist Folie, kein 
evokativer Raum. Der « Brushstroke» könnte 
in seiner eindeutigen, klaren Zeichnung 
zweifellos auch Reklame machen für ein 
Anstreichergeschäft. Lichtenstein ist seiner 
Auffassung selbst bei einem so zum Maleri- 
schen verlockenden Thema treu geblieben: 
er bekennt sich zur direkten Aussage, zum 
Verzicht auf das Malerische zugunsten einer 
reinen Bildsprache. 
Lichtenstein hat in seinen Werken immer 
versucht, die mechanische Perfektion der 
Massenmedien zu erreichen. Wie Warhol 
pflegt er eine absolut sachliche Malerei mit 
dem Verzicht auf die gestische Handschrift 
des Malers. Wie Warhol ist er ein Maler der 
urbanen Situation mit ihren Objekten des 
täglichen Lebens. Werbung hat in Lichten- 
steins Kunst eine fundamentale Rolle gespielt 
und den plakativen Stil seiner Bilder inspiriert 
ebenso wie das begrenzte Farbsystem. Die 
Darstellung eines Gegenstandes auf seinem 
direktesten Weg, ohne Licht und Schatten 
ausgesetzt zu sein, ohne Beziehung zum 
Raum zu haben oder sich gar mit ihm zu 
verbinden, haben Warhols und Lichtensteins 
Malerei gemeinsam. Hier liegt ihr eindeutiger 
Werbecharakter. Innerhalb der Pop-Malerei 
sind beide Maler hier am konsequentesten 
vorgegangen. Keiner von beiden hat sich je 
mit der Collage beschäftigt wie etwa ihre 
Zeitgenossen Rauschenberg, Jasper Johns 
oder Jim Dine. Wie Warhol ist Lichtenstein 
nicht interessiert an malerischen Wirkungen. 
Der von ihm zum Bildthema erhobene 
Gegenstand wird kühl, von seiner Umwelt 
isoliert vorgestellt. Es geht ihm allein um die Lit.: Rainer Crone, Andy Warhol, 1970, Abb. Nr. 67, Kat.-Nr 
Visualisierung des Gegenstandes, der manch- 446, S. 304, Diane Waldmann, Roy Lichtenstein, 1971, Abb 
mal mit einer gewissen Ironie ins Bild gesetzt Nr. 136. 
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