Volltext: Jahresbericht 1975 (1975)

«ausserhalb von Geschichte und Stil» stehe, 
während wir sie eher als geschichtliche 
Erscheinung Innerhalb bestimmter Epochen 
verstanden wissen möchten. Diese Ver- 
schiedenheit in den Auffassungen führte dazu, 
dass sich die Ausstellung in Zürich durch 
Auswahl und Anordnung beträchtlich von der 
in München unterschied; vor allem darin, 
dass in Zürich den «klassischen» Naiven und 
Adolf Dietrich mehr Gewicht gegeben, 
manches andere ausgeschieden wurde. Eine 
Gegenüberstellung von Werken naiver 
Künstler mit solchen von anderen Malern 
sollte zeigen, wie schwierig es ist, eine Grenze 
zwischen naiver Kunst und Kunst schlecht- 
hin zu ziehen. 
Bei dem Interesse, das heute der naiven 
Malerei entgegengebracht wird, versteht es 
sich fast von selbst, dass die Ausstellung 
eine grosse Zahl von Besuchern anzog. 
Die zweite Hauptausstellung galt einem 
Künstler der Gegenwart, dem in Paris 
arbeitenden Belgier Pierre Alechinsky. Ob- 
gleich der noch nicht 50jährige Maler 
schon früh bekannt wurde, ist man in der 
Schweiz bis jetzt seinem Schaffen nicht häufig 
begegnet, vor allem nicht in einer grösseren 
zusammenfassenden Ausstellung. So nahmen 
wir die Gelegenheit wahr, eine für die 
Niederlande und Paris zusammengestellte 
Ausstellung im Kunsthaus zu zeigen, ist doch 
Alechinsky ein Künstler besonderer Prägung 
und von ausgesprochener Eigenart, der 
sich nicht ohne weiteres einordnen lässt. Auf 
der einen Seite ein höchst einfallsreicher 
Graphiker, hat er zugleich eine ausgespro- 
chen malerische Begabung; so dass beide 
Schaffensgebiete sich bei ihm gegenseitig 
befruchten und durchdringen. Seine 
Bilder sind sehr freie und beweate Nieder- 
schriften, fast im Sinne des «action painting». 
in denen sich Naturbeobachtung mit einer 
sehr persönlichen Welt der Phantasie 
verbindet, ohne dass sich deswegen die 
Bilder im Illustrativen verfestigen würden. 
Die Ausstellung fand zwar Beachtung bei der 
Presse und gewann dem Künstler neue 
Freunde, sie vermochte aber leider nicht in die 
Breite zu wirken, vielleicht deswegen, 
weil das Werk Alechinskys nicht leicht ein- 
zuordnen und zu fassen ist. Uns selbst hat 
die Ausstellung sehr befriedigt, und sie 
hat darüber hinaus — wie das immer wieder 
einmal der Fall gewesen ist — für unsere 
Sammlung Frucht getragen. Die Vereinigung 
Zürcher Kunstfreunde hat nämlich in ihrer 
Generalversammlung vom 23. Oktober ein 
bedeutendes Werk Alechinskys für unsere 
Sammlung erworben, so dass das Kunsthaus 
das erste Museum in der Schweiz ist, das 
ein Werk des Künstlers besitzt. 
Grossen Zuspruchs erfreute sich die Aus- 
stellung von Alexander Calder, von der schon 
am Anfang dieses Jahresberichtes die 
Rede war. Es handelte sich um eine Retro- 
spektive, die von Professor Maurice Besset 
mit kluger Sachkenntnis zusammengestellt 
und aufgebaut wurde und den Weg des 
Künstlers von tastenden Anfängen über die 
phantasievollen Drahtplastiken zu den 
grossen Mobiles und Stabiles in eindrucks- 
voller Weise aufzeigte. Zur Anziehungskraft der 
Schau trug sicher bei, dass der Platz vor 
dem Kunsthaus ein ganz neues Gesicht 
gewann durch die Aufstellung von drei grossen 
Eisenplastiken, über denen ein Mobile 
schwebte. 
Die übrigen Ausstellungen des Jahres galten 
alle der Schweizer Kunst. Unser Beitrag 
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