ichen, die mit klassischem Ebenmass und Aus-
jJewogenheit nichts mehr zu tun hat.
erst In den vierziger Jahren hat Turner unser Land
wieder besucht. Offenbar beschäftigte Ihn das
zrlebnis vom Jahre 1802 über Jahrzehnte hinweg,
yobei andere Landschaftserfahrungen, ins-
esondere Italien, hinzugekommen sind. Von
1841 bis 1844 jedoch suchte er die Orte des früheren
-indrucks alljährlich wieder auf, wobei freilich die
Motivwahl für seine Skizzen eine gänzlich andere
st. Andrew Wilton! spricht davon, dass es ihm nun
ım die grössere Offenheit der Kompositionen und
Jım «so viel wie möglich Luft und Raum» ging.
Nicht mehr die bedrohende Alpenwelt ist das
Hauptthema, es überwiegen nun die Ansichten von
Städten und Seen. Diese veränderte Haltung kommt
m Aquarell «A F&te Day in Zurich: Early Morning»
n grosser Reinheit zum Ausdruck. Die weite
Z7ürichsee-Landschaft ist In ein helles Gegenlicht
jetaucht; als Blickpunkt diente dem Künstler höchst
wahrscheinlich der Ausblick aus den Häusern zur
Schipfe. Die topographischen Verhältnisse sind, wie
38 bei Turner häufig der Fall ist, so gestaltet, dass die
‚äumlichen Gegebenheiten zwar deutlich erkennbar
sind, jedoch einer kompositorischen Anlage unter-
vorfen werden, die, verglichen mit der Wirklichkeit,
manches Detail mehr oder weniger stark zurecht-
‚rückt. Den Mittelpunkt der Komposition bildet die
m Gegenlicht hell aufleuchtende Limmat, die beiden
Jferpartien werden gleichgewichtig gegeneinander
3ausbalanciert. Genau beobachtet ist die Münster-
orücke mit ihren vier breiten Jochen und dem
schmaleren Bogen auf der Fraumünsterseite. Das
3Zrossmünster zeigt fälschlicherweise zwischen den
Türmen einen Giebel mit Rosette; die Fassade wird
n Wirklichkeit durch ein Pultdach abgeschlossen.
Deutlich erkennbar sind die beiden Türme des
=raumünsters und der St. Peterskirche. Letzterer
scheint überlängt und in seiner Formgebung dem
Fraumünster angeglichen. Am rechten Bildrand
sefindet sich der Absturz des Lindenhofes aegen
die Limmat hin. Der Vordergrund ist ausgefüllt mit
Figuren, die die schräggestellte Rathausbrücke
überreich bevölkern. Ruskin? spricht davon, die
Menschenmenge sei «eifrig mit Wasservergnügen
ainer unverständlichen Art beschäftigt». Ob das
Sechseläuten dargestellt Ist, wie schon vermutet
wurde, muss dahingestellt bleiben. Das vom Kunst-
haus erworbene Bild ist anhand einer Skizze ent-
standen, die sich im British Museum befindet®. Die
kleinen Unstimmigkeiten sind sicher die Folge
davon, dass unser Bild nicht an Ort und Stelle ent-
standen ist. Dieser Entstehungsprozess entspricht
Turners allgemeinen Praxis, wonach er an Ort und
Stelle erste Eindrücke notiert hat, die er später zu
ausgearbeiteten Werken verwendet hat, die für den
Verkauf bestimmt waren. Die Skizzenblätter behielt
er für sich, sie kamen später alle zusammen mit
seinem grossen Legat an den englischen Staat
und werden heute im Print-Room des British
Museum aufbewahrt. Dies erklärt die Tatsache,
dass heute im Handel nur sogenannte «finished
water-colours» anzutreffen sind. Im ganzen hat
Turner vier Zürcher Aquarelle geschaffen: das
vom Kunsthaus erworbene und die dazugehörige
Skizze, eine weitere Skizze* und das dazugehörige
vollendete Aquarell, die sich im British Museum
befinden®, Es ist hier der Ort, darauf hinzuweisen,
dass Turner die Aquarellmalerei als gleichgewichtig
neben der Ölmalerei betrachtete, wozu nicht zuletzt
die zahlreichen Schweizer Aquarelle gehören, die
sainen Höhepunkt in seiner künstlerischen Ent-
wicklung darstellen. Wobei mit dem Begriff
Aquarell die Technik insbesondere der ausgeführten
Blätter nur unzureichend charakterisiert wird. Unser
Zürcher Bild zeigt die für Turner charakteristische
Mischtechnik, deren besondere Eigenart es Ist, dass
nicht nur die Vorzeichnungen in Tusche und
Bleistift sichtbar geblieben sind, sondern dass
auch ganze Partien von einem gefärbten Firnis
überdeckt werden. Diesen Firnis benutzte Turner,
um Schattenpartien zu verdunkeln, wie dies
deutlich wird bei den Häusern beidseits der Limmat.
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