Volltext: Jahresbericht 1976 (1976)

hauers an der plastischen Form. Bei seinem ersten 
Aufenthalt in Paris 1926 zeichnet Fischer in dem von 
ihm häufig besuchten Künstlercafe «Rotonde» 
seine dort verkehrenden Freunde und Bekannten: 
«Pole», «Russin», «Deutscher». Er erfasst die 
Physiognomien der einzelnen mit einem fast 
karikierenden Zugriff und mit einem Sinn für das 
charakteristische Detail der verschiedenen 
Nationalitäten. An den drei Studien der « Netz- 
flickerin» von 1926 zeigt sich bereits Fischers 
Interesse für typische Bewegungshaltungen, wie 
sie In seinen späteren Reliefs zu bestimmenden 
Gestaltungsmitteln werden. 
Die zweite Zeichnungsgruppe aus der späteren 
Schaffenszeit enthält vor allem Zeichnungsreihen 
zu Fischers Hauptthemen: « Rennende», «Föhn», 
«Aufruhr», «Unruhe». Nach einem längeren, haupt: 
sächlich durch den Krieg bedingten Unterbruch 
hatte sich der Stil des Bildhauers gewandelt. Im 
«Redner» von 1954 zum Beispiel, der seinen 
Figurenstil der fünfziger Jahre repräsentiert, 
«presst Franz Fischer das Figurvolumen weit- 
gehend in eine frontale Schichtebene und spreizt es 
zugleich seitlich auf, womit er die organische 
Form grundsätzlich und ausdrücklich preisgibt und 
die Figur wesentlich als Expressivgestalt ergreift! ». 
Die Tendenz zur reliefartigen Gestaltung der Voll- 
figur verstärkt sich im Laufe der Jahre und führt 
dazu, dass sich Franz Fischer fast ausschliesslich 
dem Relief zuwendet. Er bildet dabei einen ganz 
eigenen Reliefstil aus. Das Relief nimmt ganz 
allgemein eine Mittelstelluhg zwischen Plastik und 
Malerei ein. Da unsere späten Zeichnungen in 
direkter Korrespondenz zu den Reliefs zu sehen 
sind, soll im folgenden anhand der Zeichnung 
«Unruhe I» etwas näher darauf eingegangen 
werden. 
Das Blatt «Unruhe I» (Abbildung 20) stellt eine 
rennende, in Aufruhr begriffene Menschengruppe 
dar. Den Zeichner hat dabei nicht die einzelne 
Figur interessiert, sondern die Menschenmasse, die 
Masse In Bewegung. Auf der rechten Seite ballt sie 
sich zusammen; ihr Übereinanderstaffeln verstärkt 
den Eindruck von Dramatik, die in den erhobenen 
Armen der obersten Figur kulminiert. Nach links 
löst sich die Gruppe allmählich auf. Den Übergang 
Dlldet die Zweiergruppe in der Mitte, die durch 
die beiden ausgesprochenen Zäsuren rechts und . 
links von Ihr in ihrer Bedeutung herausgehoben ist. 
Die Körperdrehung der genau im Mittelpunkt der 
Zeichnung befindlichen rechten Figur vermittelt 
zwischen den beiden Hauptgruppen, indem sie 
einerseits nach rechts zurückweist, andererseits nach 
links fortschreitet, um die Verbindung mit der 
vorderen Gruppe wieder herzustellen. Der Eindruck 
des Bewegten und flüchtig Vorübergehenden der 
Szene entsteht dadurch, dass das Geschehen nach 
beiden Seiten über den Bildrand weiterzugehen 
scheint: von rechts her stürzen die Menschen 
herbei, und man stellt sich vor, dass noch viele auf 
diesem Weg folgen; nach links gehen sie nach und 
nach ab. Der Ausdruck der Bühnensprache kommt 
einem nicht von ungefähr in den Sinn: die Men- 
schen agieren wie Statisten, sie bewegen sich wie 
unter einem fremden Willen. 
Die Menschenmasse, der anonyme Mensch in der 
Masse beschäftigt Franz Fischer seit den sechziger 
Jahren in zunehmendem Masse. In Zeichnungen 
und Bronzereliefs gestaltet er das Thema unter 
verschiedenen Aspekten. Es beginnt mit den 
«Zuschauern» von 1959/60 und den « Flücht- 
lingen» von 1960. Die Figuren sind dort noch in. 
ein strenges Gerüst von Horizontalen und Vertikalen 
eingespannt. Unsere Zeichnung « Föhn — Men- 
schen im Wind» von 1973, die daran anschliesst, 
lockert die strenge Staffelung und kündigt die freie 
Streuung der Menschengruppen über die Fläche an. 
die In «Rennende» und « Unruhe» bildbestimmend 
wird. Andere Zeichnungen heissen: « Unrast», 
«Aufruhr», « Föhn». Sie alle weisen auf das eine 
arundthema hin. Nach Fischers eigenen Worten 
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