Hinweis
auf einige Neuerwerbungen
gestellt ist in diesen drei Leningrad-Bildern der
Blick über die Newa auf das gegenüberliegende
Ufer. Während bei den Bildern «La Neva, Brume
legere»3 und «La cathedrale de Petropaviovsk»*
die topographische Situation einfach zu erkennen
ist — es handelt sich um den Blick vom Ufer der
Ermitage (möglicherweise auch vom Puschkinplatz
aus) auf die gegenüberliegende Peter-Paul-
Festung, deren Silhouette von links nach rechts
durch den nadelartig aufragenden Turm und die
Kuppel über dem Chor der Kathedrale sowie durch
die Kuppel der Totengruft dominiert wird — so
tauchen beim Bild «La N&va gelee» grössere Pro-
bleme in der örtlichen Fixierung auf. Auch In die-
sem Bild wird die Silhouette von einer Kuppel und
einem spitzen Turm beherrscht. Gegen die An-
nahme, dass auch hier die Kathedrale der Peter-
Paul-Festung dargestellt ist, spricht jedoch die Tat-
sache, dass die Kuppel den Turm beinahe überragt.
was der Wirklichkeit keineswegs entspricht. Wahr-
scheinlicher scheint mir die Vermutung, dass das
Bild des Kunsthauses die Ansicht von der Festung
auf die Stadt wiedergibt, wobei die Kuppel in
diesem Fall als Isaaks-Kathedrale und die Nadel-
spitze als Mittelakzent der Admiralität zu deuten
wären. Weiter rechts im Bilde würde die Strelka
(der Puschkinplatz) mit den beiden 30 m hohen
Rostren-Säulen folgen, die das klassizistische
Gebäude der Börse rahmen. Es sei Jedoch nicht
verschwiegen, dass sich der Schreibende bei diesel
Deutung nicht ganz wohl fühlt, denn es bleiben
mehrere Fragen offen — Fragen, die möglicherweise
nur an Ort und Stelle geklärt werden können. In
diesen Zusammenhang des motivisch schwierig
zu Klärenden gehört auch die Tatsache, dass der
weisse Vordergrund — offenbar die verschneilte uno
vereiste Newa — die in der rechten Bildhälfte er-
kennbaren Brücken beinahe versinken lässt.
2 BILDER VON FELIX VALLOTTON
1913 reiste Felix Vallotton nach Russland, da er
einem in St. Petersburg ansässigen Kaufmann
schweizerischer Herkunft durch seinen Bruder
Paul als Porträtist empfohlen worden war. Dem
Russlandaufenthalt, der im Frühling stattfand,
folgte im Sommer desselben Jahres eine Italien-
reise, die den Künstler nach Perugia und Rom
führte. Dieses Reisejahr nimmt in Vallottons Bio-
graphie eine einzigartige Stellung ein, denn dieser
Künstler war alles andere als ein Reisemaler. Die
zahlreichen Landschaftsbilder, die in den vierzig
Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit entstanden
sind, kreisen immer wieder um dieselben Örtlich-.
keiten: Vor allem Honfleur und benachbarte Orte in
der Normandie, wo Vallotton seit dem Beginn des
Jahrhunderts regelmässig die Sommermonate ver-
bringt, gegen das Ende des Lebens in vermehrtem
Masse auch Südfrankreich und das Loiretal liegen
neben Pariser Stadtansichten dem weitaus grössten
Teil des Landschaftswerkes zugrunde. Zahlen-
mässig ist die malerische Ausbeute der Russland-
reise eher bescheiden. Das « Livre de Raison' », das
von Vallotton eigenhändig geführte Werkverzeich-
nis (Liste de mes ceuvres, peintures et gravures,
faite dans l’ordre chronologique, ä partir de 1885),
verzeichnet sechs Bilder im Zusammenhang mit der
Russlandreise: fünf Städteansichten und ein Por-
trät2. Unter den Stadtlandschaften gehören, von Alle diese Momente weisen darauf hin, dass es
der Motivwahl und der Stimmung her betrachtet, Vallotton offensichtlich nicht um topographische
deren drei in einen engeren Zusammenhang. Dar- Genauigkeit gegangen ist. Zu dieser Feststellung
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