kommen ist, scheint darauf hinzuweisen, dass
religiös-magische Glaubensvorstellungen das
xünstlerische Schaffen ausserordentlich stark an-
geregt haben — eine Quelle der Inspiration, die die
heidnische Zeit überlebt und noch in der christ-
lichen Ära befruchtend gewirkt hat.» Goethes Wort
«Der Aberglaube ist die Poesie des Lebens»
(Maximen und Reflexionen) könnte als Leitsatz
über dem Wirken dieses Liebhabers des Homo
Magus stehen.
Das Ölbild «Le Sous-Marin» gehört zu den frühen
Beiträgen Seligmanns an die surrealistische Malerei.
Wie einige weitere, ebenfalls um 1930/32 ent-
standene Bilder verwandten Charakters lässt es in
der dunkeltonigen, fast altmeisterlichen Farbstim-
mung Seligmanns starke Beziehungen zur alt-
deutschen und altniederländischen Malerei er-
kennen. Das dominierende Bildmotiv, ein aus
Einzelformen zusammengesetztes Gebilde, schwebt
Frei im Bildraum. Solche Kompositformen waren
damals beliebt (auch als Produkt des surrealistischen
Gesellschaftsspiels des «Cadavre exquis»); sie
erscheinen ebenfalls in der Skulptur, bei Picasso und
Giacometti etwa. Bekannt wurden sie durch die
Folge von Zeichnungen Picassos, die unter dem
Titel «Une Anatomie» in der ersten Nummer der
Zeitschrift « Minotaure» vom Februar 1933 ver-
öffentlicht wurden.
Thema von Seligmanns « Unterseeboot» Ist die
geheimnisvolle Welt der Meerestiefen. Unter den
Surrealisten hat sich vor allem Yves Tanguy mit
der submarinen Welt beschäftigt, die uns dank
Tauchsport und Unterwasserphotographie In Ihrer
Vielfalt und Phantastik inzwischen vertrauter ge-
worden ist. Während bei Tanguy jedoch das bio-
morphe oder petrifizierte Geschehen auf dem
Meeresgrund meist in eine lichte, blaugraue
Atmosphäre getaucht ist, herrscht bei Seligmann
mystisches Dämmerdunkel. Das aus Formstücken
unterschiedlich linearen, flächigen und schein-
plastischen Charakters montierte, schwebende oder
schwimmende, halb biomorphe, halb technische
Gebilde mag an eine Art Seeungeheuer erinnern,
ist Jedenfalls der Ausdruck einer ungebundenen
Formphantasie. Die linearen Elemente erwecken die
Vorstellung von Fischschwanz, Takelage, Segel-
werk. Der geringelte Schwanz des Ungeheuers
gehört zur Vorstellung eines Drachen. Denkt man
nicht nur an mittelalterliche Bestiarien, sondern an
die Bildwelt der Magie, so spielt dort die Schlange
Pythia eine Rolle; in der Gnostik steht Abraxas
statt auf Beinen auf zwei Schlangenleibern; und im
Bereich der Alchimie gibt es den hermetischen
Drachen, den Hermes mit Drachen-: oder Schlan-
genschwanz.
Zwischen zwei dreieckigen, plattenartigen Ele-
menten, die an Segel erinnern mögen, lugt als
dominierendes Bildelement bedrohlich eine betont
kugelige Form mit einer Art Augenhöhle hervor.
Erinnerung an die Taucherglocke (wie in Max
Ernsts «Elephant Celebes») oder an den Taucher
helm? Aus der Kompositform entweichen nach
unten zwei Tränen wie kleine Fische, und hinter
dem bugförmigen Dreieck strahlt hell ein wenig
Sonne hervor, mit Strahlen wie Tentakeln; vielleicht
eine Anspielung auf Gott Sol, den Seligmann als
Tarockkarte gerne in der Hand hielt. Nach rechts
schliesslich ragt noch ein rohrartiges Element her-
vor, eine Art Düse, die mit der Vorstellung des
Unterseebootes zu verbinden ist. Schon Kurt
Schwitters hat sich in dem Holzrelief « Breite
Schnurchel» von 1923 an dem für die Belüftung
eines U-Bootes entscheidenden Rohrmechanismus
des «Schnorchels » inspiriert.
Der Gedanke an Schiffe, die unsichtbar unter der
Wasseroberfläche Menschen, meist zu kriegeri-
schem Zweck, über weite Distanzen transportieren
können, taucht als Lieblingsidee technischer
Träumer seit der Antike auf. Leonardo da Vinci hat
ihr so gut gehuldigt wie Jules Verne, dessen phan-
Q-