RICHARD PAUL LOHSE
«KOMPLEMENTÄRE GRUPPEN DURCH SECHS
HORIZONTALE SYSTEMATISCHE FARBREIHEN ».
1950—76/2
18 komplementäre Farbpaare aufweist; je sechs in
der ersten und zweiten, dritten und vierten, fünften
und sechsten Reihe.
Im Zusammenhang mit der Analyse ist es zweck-
mässig, die Entwicklung, welche zur Formulierung des
Bildtyps der seriellen Ordnungen führte, aufzuzeigen.
Die kunstgeschichtlich erste Realisierung eines
seriellen Themas entstand 1943/44 mit «Zwölf hori-
zontale und zwölf vertikale Progressionen», In
der bereits das Prinzip der Farbmengengleichheit auf-
tritt. In jenen Jahren erfolgen Versuche, die
Elemente zu systematisieren. Historische Parallelen
sind aufschlussreich: Analog dem Ziel des Kon-
struktivismus der zwanziger und dreissiger Jahre, das
Vokabular des Kubismus von den noch an Natur-
symbole erinnernden Zeichen zu befreien, werden In
den ersten vierziger Jahren Analysen und Methoden
entwickelt, um die Vielfalt der Formen wiederum
zugunsten einer Vereinfachung und Vereinheitlichung
der Bildelemente aufzuheben.
Analyse
Das Bild zeigt eine neue Formulierung serieller
Ordnung. Sechs horizontal geordnete Farbreihen mit
je sechs gleichen Farben: Gelb, Orange, Rot,
Violett, Blau, Grün, die sich kontinuierlich folgen,
sind die Grundlage der Bildstruktur. Die oberste
Reihe beginnt mit Gelb links und endet mit Grün
rechts, in der zweiten Reihe folgt Violett links,
Rot rechts, In der dritten Grün und Blau, In der
vierten Rot und Orange, In der fünften Blau und
Violett, in der sechsten Orange und Gelb. Alle sechs
Farben der horizontalen Reihen sind in anderer
Abfolge in den vertikalen Reihen enthalten. Daraus
ergibtsich, dass alle Reihen horizontal und vertikal
die gleichen Farben tragen, die Bildstruktur aus sechs
gleichen Farbmengen besteht und mit 36 Qua-
draten sechs mal sechs gleiche Qualitäten und Quan-
titäten aufweist. Jede der sechs Farben ist mit
einem Sechstel an der Gesamtfläche beteiliat.
Die Tendenz zu richtungsgleichen Strukturen und zur
Parallelität von Bildmittel und Bildbegrenzung
intensiviert sich. Vor allem sind es vertikale Bänder,
die — abgrenzend gegenüber der Diagonalität des
russischen und der lapidaren Tektonik des holländi-
schen Konstruktivismus — den Bildausdruck
bestimmen. Die Auseinandersetzung mit den Proble-
men additiv geordneter Elemente zeitigt eine
Reihe von Ergebnissen Innerhalb regelhafter Grup-
odenthematik, gelenkter Durchdringungen, kon-
tinuierlich-diskontinulerlicher Progressionen und
Intervallen.
Verbindet man jede erste Farbe links mit der sechsten
rechts aussen, so wird erkennbar, dass alle sechs
Horizontalreihen ein geschlossenes rotatives Prinzip
enthalten, jedes Band bildet einen kontinuierlichen
Farbkreis, Die Vertikalreihen dagegen werden durch
eine aus Zweiergruppen bestehende stufenartige
Ordnung bestimmt. In den Reihen selbst wiederholt
sich keine Farbe, weder horizontal noch vertikal,
alle Farben sind nur an dem für sie bestimmten Ort
innerhalb des Koordinatennetzes richtig.
Wie die Schaffung des mobilen vertikalen Standard-
elementes nur auf dem Umweg über die Heraus-
Sechs mal sechs Farben sind so situiert, dass die Ver- lösung aus dem Verband der durchgehend aneinan-
änderung einer Farbposition die Verschiebung dergereihten Vertikalbänder möglich war, so
aller anderen Farben nach sich ziehen würde. Folgt musste dessen spätere Entwicklung zum Element
man den Reihen vertikal und kontrolliert je zwei serieller systematischer Strukturen über das
Farben zusammen, so stellt man fest, dass das Bild Prinzip rhythmischer Ordnungen erfolgen. Die erste
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