Full text: Jahresbericht 1978 (1978)

(Car Crash, Most Wanted Men, Electric Chair u.a.). 
Dadurch dass Warhol Blumen und Tod in der 
gleichen unbeteiligten Weise darstellt, überlässt er 
Einfühlung und Interpretation dem Betrachter. Es 
erstaunt in diesem Sinne nicht, dass die Ausstellung 
vehement diskutiert wurde. Die Pop-Kunst, deren 
konsequentester Vertreter Andy Warhol unserer 
Meinung nach ist, wirkt — obwohl bereits auch eine 
historische Richtung und in zahlreichen Publika- 
tionen theoretisch und ideologisch erfasst — offen- 
sichtlich noch heute kontrovers. In stark reduzierter 
Form wurde die Ausstellung anschliessend In der 
Louisiana in Humlebaek (Dänemark) gezeigt. 
Die Doppelausstellung «Max Ernst — Frottagen, 
Collagen, Graphik, Bücher» und « Surrealismus aus 
der Sammlung The Museum of Modern Art New 
York» leitete die Aufmerksamkeit des Betrachters 
etwas weiter in die Vergangenheit zurück. Es war 
der Sinn dieser Doppelveranstaltung, das Phänomer 
«Surrealismus» anhand des Schaffens eines ein- 
zelnen Künstlers und anhand eines Überblicks über 
die gesamte Bewegung zur Darstellung zu bringen. 
Mehr noch als die Gemälde lassen die Arbeiten auf 
Papier Max Ernsts Schaffensvorgang erkennen, 
seine kombinatorische Erfindungsgabe, seine un- 
erschöpfliche Phantasie, vorgegebene Motive völlig 
neuen Deutungen zuzuführen. 
Die Surrealisten-Sammlung des Museum of Modern 
Art konnte in Zürich gezeigt werden, weil das 
Kunsthaus im Winter 1976/77 mit wichtigen 
Leihgaben an der Ausstellung «European Master 
Paintings from Swiss Collections» im Museum of 
Modern Art teilgenommen hatte. Der Surrealismus 
ist im New Yorker Museum sicher nicht nur deshalb 
besonders reichhaltig vertreten, weil das Grün- 
dungsjahr 1929 eben in die «surrealistische Zeit» 
fällt, sondern auch weil sein erster Direktor, Alfred 
H. Barr, sich in besonderem Masse für den Sur- 
realismus eingesetzt hat. Die Ausstellung wurde 
auch von Wien, Düsseldorf, Brüssel, Hovikodden 
(Norwegen) und Humlebaek (Dänemark) über- 
nommen. 
Einen neuen Höhepunkt im Ausstellungskalender 
brachte die Ausstellung Monte Veritä, die In lang- 
jähriger Vorbereitungszeit von Dr. Harald Szeemanı 
gestaltet wurde. Nachdem in und um Ascona im 
Laufe des Sommers die Ausstellung in Verbindung 
mit der umgebenden Landschaft und vor allem in 
unmittelbarer Zwiesprache mit dem Berg gezeigt 
worden war, ging es darum, In Zürich die Aus- 
stellung den veränderten, das heisst vor allem der 
neutralen räumlichen Bedingungen anzupassen. 
Das sehr vielgliedrige Material wurde neu geordnet 
um — wie Harald Szeemann selbst sagt — die lokale 
Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung 
einer sakralen Topographie zu visualisieren. Die 
Ausstellung nahm einen geographisch bekannten 
Ort zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen übe‘ 
die dort, auf dem Hügel von Ascona und in seinem 
Umkreis, entwickelten Utopien und vorgelebten 
Lebensentwürfe. Ascona und die Gegend am oberr 
Lago Maggiore wurden bis 1900 von Einwan- 
derern aus dem Norden, Zivilisationsflüchtigen, 
Weltverbesserern zur Gegenwelt, zu einem als 
problemlos angesehenen Süden gemacht. Gegen: 
welt zur Urbanisierung, Industrialisierung, Techn! 
sierung, zum unvermeidbar scheinenden gewalt- 
samen Konflikt zwischen Kapitalismus und einer 
erstarkenden Arbeiterbewegung. Von Petersburg 
bis London, von Malm6 bis Graz trafen sich bis 
1914 in genau unterscheidbaren Gruppierungen In 
zeitlichen Nacheinander, von da an als Simultan- 
phänomen in Ascona die in Emil Szittyas Unter- 
titel seines Buches «Das Kurlositäten-Kabinett» 
(1923) genannten Individuen: « Begegnungen mil 
seltsamen Begebenheiten, Landstreichern, Ver- 
brechern, Artisten, religiös Wahnsinnigen, sexueller 
Merkwürdigkeiten, Sozialdemokraten, Syndikalisten 
Kommunisten, Anarchisten, Politikern und Künst 
ern», vermehrt um die Theosophen, die Lebens- 
reformer, die Freudianer, die Psychologen, die 
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