Full text: Jahresbericht 1978 (1978)

Hinweis 
auf einige Neuerwerbungen 
CUNO AMIET «LIEGENDE BRETONIN» UND 
GIOVANNI GIACOMETTI «WINTER IN MALOJA» 
Die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde hat diese 
beiden Bilder aus dem Besitz der Familie von 
Giovanni Glacometti erwerben können. Dies ist kein 
Zufall. Beide Künstler waren miteinander be- 
freundet, das Bild «Liegende Bretonin» hat Cuno 
Amiet 1900 seinem Freund zu dessen Vermählung 
geschenkt (siehe die Widmung am unteren 
Bildrand: «meinem lieben Giovanni»). Die Lebens- 
daten der beiden Künstler weisen in den 
früheren Jahren erstaunliche Parallelen auf. Beide 
sind im März 1868 geboren, beide malen, noch 
bevor sie sich treffen, 1883 ihr erstes Selbstbildnis. 
1887 lernen sie sich in München kennen; 1888 
sind sie an der internationalen Kunstausstellung in 
München vor allem vom Franzosensaal beeindruckt, 
worauf sie beschliessen, ihr Studium in Paris fort- 
zusetzen. Im Oktober desselben Jahres ziehen sie 
zusammen dorthin und richten sich in zwei Zimmern 
ain, von denen ein Raum als Schlafzimmer, der 
andere als Atelier dient. Die Jahre bis 1891 ver- 
bringen sie jeweils im Winter zusammen in Paris, 
während des Sommers kehren sie zu ihren Familien 
zurück, wobei sie sich gegenseitig in Stampa und 
Solothurn besuchen. 1892 kehrt Amiet im Frühjahr 
allein nach Paris zurück; Geldschwierigkeiten ver- 
unmöglichen Giovanni Giacometti einen neuerlichen 
Aufenthalt in der französischen Metropole. Die 
Trennung der beiden in den folgenden Jahren ist 
für die Entwicklung der schweizerischen Malerei 
zu Beginn des 20. Jahrhunderts von entscheidender 
Bedeutung. Cuno Amiet hält sich 1892/93 in 
Pont-Aven auf, Giovanni Giacometti verbringt 1893 
ein Jahr In Italien und lernt 1894 in Maloja 
Giovanni Segantini kennen. Pont-Aven und Segan- 
tin! sind die Stichworte, die die zwei Künstler 
zutiefst formen, wobei sie ihre neuen Erfahrungen 
bei gegenseitigen Besuchen austauschen. 
Über seinen Aufenthalt in Pont-Aven schrieb Amiet 
1946 in der « Neuen Schweizer Rundschau», Heft 4: 
«Als Ich im vierten Pariser Studienjahr, da es so gar 
nicht mit mir vorwärtsgehen wollte, verloren durch 
die Strassen lungerte, gab mir der Ungar Poll den 
Rat: Geh du zu Mariejeanne nach Pont-Aven. 
Was das eine, was das andre war, ich wusste es 
nicht, doch fuhr ich hin. 
Die Post hielt vor der Pension Gloanec. Da war die 
Mutter Mariejeanne, ein Gläschen in der Hand; 
Jber die Brille prüft sie mich, der Mund geht in die 
Breite, das Bäuchlein wackelt; ich bin aufgenom- 
men, und ich fühle mich daheim. 
Die muntere Marie und die junge Rosine führen 
mich ins Zimmer nebenan; Wein, gedeckte Tische, 
offene Fenster, dicht mit Rosen behangen. — Wie 
die Augen sich ans Dämmerlicht gewöhnen, ge- 
wahre ich die mit Bildern vollbesetzen Wände. 
Landschaften, blau konturierte Häuser, Bäume, 
Strassen, ausgefüllt mit bunten Farben, Figuren, 
ungewohnt in Form und Bewegung. 
Ganz unbekannte Namen: Bernard, Laval, Schuffen- 
ecker, Moret. Aber ein Bild fiel mir besonders auf: 
Kirschen in einer Schale auf weissem Tischtuch, 
bezeichnet mit P. GO. Ganz einfach, gar nichts 
Forciertes, wunderbar klar und hell, naturnah, gar 
nicht auf Licht und Schatten, leuchtende Farben in 
kleinen Flächen und Strichen einfach hingelegt. — 
Ich war ganz bewegt, war ganz verzaubert. P. GO, 
das hiess, erfuhr ich später, Pau/ Gauguin. Und da 
ich mich sonst umschaue in dem hellen Dämmer- 
licht, bemerke ich auf dem Buffet ein Röllchen und
	        
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