Volltext: Jahresbericht 1978 (1978)

ROBERT DELAUNAY: 
ORMES CIRCULAIRES, 1930 
Seit vielen Jahren hing Robert Delaunays Gemälde 
«Formes circulaires» als Leihgabe im Kunsthaus 
und gehörte für manchen Besucher zu den Spitzen- 
werken innerhalb des 20. Jahrhunderts. Jetzt ist 
dieses Bild durch Ankauf zum festen Bestandteil der 
Sammlung geworden. Das grossformatige Bild 
stellt sich in der Anlage wie ein Dyptichon dar: zwei 
grosse Kreisformen, die sich in der Mitte knapp 
jberschneiden, beherrschen die Bildfläche. Beide 
Kreise setzen sich sowohl formal wie farblich 
voneinander ab. Links beherrschen Blautöne, kombi- 
niert mit Gelb, Orange, Grün, die Farbskala, und 
der Kreis ist halbiert durch eine Diagonale von ellip- 
tischen Kreisen — rechts ist die Farbgebung von 
Gelb und Rot bestimmt, und kleine Kreise rotieren 
innerhalb der grossen Kreisform. Unschwer 
erkennen wir, dass eines der zentralen Themen von 
Delaunay hier zur Darstellung kommt. Seitdem 
er 1912 — im gleichen Jahr also, als Kandinsky seine 
theoretische Schrift « Über das Geistige in der Kunst» 
veröffentlichte — mit den ersten Kompositionen 
von « Formes circulaires» zur abstrakten Malerei fin- 
det, hat ihn das Thema bis zu seinem Tode im Jahre 
1941 nicht mehr verlassen. Die Sammlung des 
Kunsthauses beherbergt eine weitere Komposition der 
«Formes circulaires», 1912-1931 datiert, die in 
direktem Zusammenhang zum Neuankauf steht. Die- 
selben Formen, aus denen das grosse diptychon- 
artige Bild von 1930 besteht, sind hier in einem ein- 
zigen Kreismotiv zusammengefasst. Und auch 
farblich sind die gleichen Töne gegeneinandergesetzt. 
Beide Bilder repräsentieren das, was Apollinaire 
bereits 1912 mit dem Begriff des «Orphismus» um- 
schrieb. Für Delaunay selbst waren seine « Formes 
circulaires» und «Disques simultanes» (eine Aus- 
drucksvariante desselben malerischen Problems) 
die ersten Zeugen seiner Peinture pure, unter der er 
das Zusammenspiel von Farbe und Form verstand 
und darüber hinaus Farbe wiederum als Einheit vor 
Farbe und Licht auffasste. 
In der Peinture pure sah er sein künstlerisches Ziel 
erreicht. Seit 1912 hat er nicht aufgehört, diese sein“ 
künstlerische Konzeption zu vervollkommnen. 
«La couleur, les couleurs avec leurs lols, leurs con 
trastes, leurs vibrations lentes par rapport aux 
couleurs rapides ou tres rapides, leur intervalle. Tour 
ces rapports forment la base d’une peinture qui 
n’est plus imitative, mais creative par la technique 
mäme. A ce propos Apollinaire a parle& d’Orphisme, 
mais c’est de la litte&rature. En realite, c’etait la nais 
sance d’un art qui n’a plus rien ä faire avec l’inter- 
oretation ni la description des formes de la nature. Aı 
lieu, comme la musique, d’&tre un art auditif, 
dest un art visuel dont les formes, les rythmes, les 
developpements partent de la peinture möme, 
zsomme la musique n’a pas de sonorite de la nature 
mais des rapports musicaux. La peinture devient 
de la peinture» schreibt er 1924. Seine Überzeugunc 
dass nur die Einheit von Farbe und Form zur reinen 
Malerei führen kann, hat ihn indessen nicht ge- 
hindert, seine abstrakten Formen von Kreis und 
Ellipse, die sich ihm zur Erreichung seiner Farb-Lich 
Vorstellungen am ehesten anboten, immer wieder 
mit figurativen Elementen zu durchsetzen. Seine 
Komposition «Hommage ä Bleriot» von 1914 wiro 
zwar von konzentrischen Kreisen vollständig aus- 
gefüllt, aber mitten unter ihnen entdecken wir den 
Eiffelturm, den er Jahre zuvor immer wieder gemalt 
hatte und der, wie die « Fen&tres », für weitere zwanz' 
Jahre ein bleibendes Motiv ist. Aus dem gleichen 
Jahr stammt auch « Drame politique», zu dem eine 
Zeitungsillustration die Anregung gab. Sie schildert 
ein Drama, das Tagesgespräch in Paris: die Ermor 
dung des Direktors des « Figaro», Gaston Calmette, 
durch die Frau des Finanzministers Joseph Caillaux 
Delaunay hat beide Figuren in seinem Bild dar- 
gestellt, sie aber in die rotierende Bewegung seine' 
Kreisform aufgenommen. Die reine Abstraktion
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.