Volltext: Jahresbericht 1978 (1978)

und der Pelerine. Sie allein ergeben den poetischen plötzliche Askese der Mittel und der Bildsprache, 
Bildgedanken des Aquarells — ein bedrohtes karge, aber dynamische bildnerische Symbole, die 
Rotkäppchen in einem geheimnisvollen Wald — und hier in einem eindringlichen Braunschwarz ge- 
zugleich die Verzauberung, das Traumhafte und waltsam und derb auf das Papier gesetzt sind. 
Phantastische des Theatergeschehens. Der Pfeil 
wurde eliminiert, weil er keinen bildnerischen Wert 
besass (Klee resümierte in seiner Vorlesung 
«Bildnerische Mechanik» 1924: « Allein das Anwach- 
sen von Energie ist zwingend auf die Bewegungs- 
richtung. . .», «es muss gelingen, den Pfeil als Attri- 
but durch seine Gestaltung zu überwinden»). 
Die Marionette bekam ein Kennzeichen, eine Reihen- 
zahl, die in keinem direkten Zusammenhang zu 
Klees « Kasperltheater» steht. Man weiss nicht, 
ob er eine Reihe von solchen «architektonisch- 
physiognomischen» Marionetten beabsichtigt hat. 
Sie bekam auch einen Titel, den man aber Klees 
eigener Aussage nach annehmen, ablehnen oder 
ersetzen kann, denn: « Die Unterschriften weisen nur 
in eine von mir empfundene Richtung», man soll 
sie nicht mit seinem Vorhaben gleichsetzen. Indem 
Klee den Farben (wie hier) auch Gewicht zubilligte 
und Ihnen eine unübersehbare Reihe von Varia- 
tionsmöglichkeiten in formaler wie auch inhaltlicher 
Hinsicht abgewann, ging er über die simultanen 
Farberscheinungen von Robert Delaunay hinaus, der 
Ihn seit ihrer Begegnung in Paris 1911 so entschei- 
dend beeinflusst hatte. 
Das Bildgefüge — teils gegenständliche, teils dekora- 
tiv-abstrakte Formen einer Topf-Amphore, einer 
Schüssel, einer in kleinen schwarzen und weissen 
Teilflächen artikulierten Pyramide — dieses Bild- 
gefüge ist dicht verspannt und verfestigt. Trotz der 
Verschränkung der Flächen ist das « Keramik- 
Stilleben» eine spontane, freihändige Arbeit. Dieses 
wohldurchdachte Formensystem wurde spontan 
Kombiniert und schnell aufgetragen. Solch momentan 
improvisierende schöpferische Konzentration wird 
Klees Spätwerk vermehrt charakterisieren. 
Klees Einstellung zu reinem Schwarz veränderte sich 
gemäss den bildnerischen Absichten, die sein 
Schaffen in entscheidenden Phasen formten. In seiner 
Bauhaus-Zeit malte Klee reine Schwarzaquarelle 
sehr selten, weil ihn die Untersuchungen von Farb- 
qualitäten und Farbprozessen völlig in Anspruch 
nahmen. Weil damals für ihn «das Schwarz die letzte 
Dunkelheit und Farblosigkeit» war, die man 
«nicht verstehen sollte» (P. Petitpierre: Aus der Mal- 
klasse von P. Klee, S. 21), stellte er, um farbige 
Spannungen zu schaffen, farbig dynamische Objekte 
vor den dunklen, energielosen Hintergrund seiner 
Stilleben. Erst gegen 1932 studierte er tonale Verän- 
derungen des Schwarz in einer Gruppe von 
Schwarzaquarellen, an eigene frühe Versuche (um 
1908) anknüpfend. 
Klee arbeitete seit zwei Jahren in seinem kleinen 
Atelier in Bern, als 1935 seine verhängnisvolle, bis 
dahin latente Krankheit ausbrach. In der nach- 
lolgenden völligen physischen Erschöpfung, in der 
auch sein Gestaltungswille erlahmte, ging die 
Zahl seiner Werke stark zurück, 1936 waren es nur 
noch 25. Gleich danach trat aber eine tiefgreifende 
Veränderung ein. Das vorliegende Schwarzaquarell, 
bereits von dem neuen leidenschaftlich hervor-‘ 
gebrochenen Schöpfungsdrang getragen, vereint die 
Symptome dieses Wandels von grosser Tragweite: 
kraftvollen Durchbruch zur Monumentalität, aggres- 
sive Direktheit der Mitteilung, kräftige Dynamik, 
Das Spannungsverhältnis zwischen den Bildmitteln 
Jnd der Farbgebung, das seit 1936 so entscheidend 
zur Vereinfachung strebte, basiert im « Keramik- 
Stilleben» auf einem signalhaften Schwarz und einem 
hervorspringenden Weiss, die Klee, «gewagt 
wägend», gleichwertig nebeneinander ausbreitete. 
Es ist gerade das Paar der entferntesten Kontraste 
in Farbigkeit, Tonalität, Dynamik, Wärme und Ge- 
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