Volltext: Jahresbericht 1980 (1980)

Hinweis 
auf einige Neuerwerbungen 
DADA-SAMMLUNG 
Jada ist kein Stil, sondern eine geistige Haltung. 
Jeshalb ist Dada nicht nur ein Phänomen, das die 
bildende Kunst betrifft; Literatur, Dichtung, Theater 
und Cabaret, Philosophie und Lebenskunst sind 
ebenso Teile einer umfassenden Neuformulierung, 
Dei der es darum gegangen ist, die traditionellen 
Werte zu überdenken, wenn nötig aufzuheben, zuvor 
gültige Systeme und Regeln abzuschaffen, um der 
menschlichen Kreativität einen neuen Weg ins alltäg- 
liche Leben zu öffnen. «Unsere Ideen predigten wir 
nicht, wir lebten sie, und zwar irgendwie in der Art 
von Heraklit, dessen Dialektik bedeutete, dass er sich 
selbst bei der Erläuterung seines Weltverständnisses 
als Subjekt und als Objekt einschloss ... Wir ver- 
warfen alle Unterscheidungen zwischen Leben und 
Dichtung. Unsere Poesie war eine Lebensart), schrieb 
Tristan Tzara in «An introduction to Dada». Und im 
Katalog zur Ausstellung «Das neue Leben», die 1919 
im Kunsthaus Werke von Arp, Giacometti, Janco, 
Picabia, Sophie Taeuber und anderen zeigte, führte 
Marcel Janco aus: «Kunst muss und wird wieder 
zum Leben zurückkehren... Wir sind nicht nur Künst- 
ler, wir sind Menschen und verpflichtet, wieder eine 
wirksame Kraft im Leben zu werden.) Dadaistische 
Manifestationen haben in diesem Sinne immer wieder 
versucht, die einzelnen traditionellerweise von 
ainander getrennten Gattungen zu einer neuen Einheit 
zu verschmelzen, und es fällt auf, dass gerade die 
schöpferisch herausragenden Dada-Künstler, wie 
etwa Hans Arp, Marcel Duchamp, Raoul Hausmann, 
Hans Richter, Kurt Schwitters, Tristan Tzara, sich in 
mehreren Gebieten nebeneinander, das heisst als 
Maler, Plastiker, Dichter, ausgedrückt haben. Diese 
Verbindung der verschiedenen Ausdrucksmöglich- 
keiten, die letztlich auf die Idee des Gesamtkunst- 
werks hinzielt, bringt es mit sich, dass dadaistische 
Manifestationen sich oft in einer einmaligen Kund- 
gebung erfüllt haben, deren Geist einzufangen für die 
Nachwelt schwierig ist. Eine Dada-Sammlung ist 
somit nur in der Lage, «Sedimente einer Bewegung)» 
‘wie sich Eberhard Roters im Katalog zur Berliner 
Ausstellung (Tendenzen der zwanziger Jahre) äusge- 
drückt hat) zu überliefern. Aus diesem Grunde ist es 
aine absolute Notwendigkeit, dass eine Dada- 
Sammlung möglichst vielgestaltige Formen von 
Äusserungen umfasst, das heisst in sich vollendete 
Kunstwerke, die nicht für den einmaligen Anlass 
geschaffen wurden, aber auch möglichst alle Doku- 
mente, die aus der Tagesaktualität hervorgegangen 
sind, wie Flugblätter, Plakate, Einladungskarten, 
Traktate usw., die nicht im Sinne eines autonomen 
<unstwerks entstanden sind, die jedoch häufig, 
gerade weil neue Formen der Mitteilung erprobt 
wurden - man denke nur an die weit in die Zukunft 
weisende Typographie, die Verwendung von Photo- 
mnontagen usw. -, die Entwicklung der bildenden 
Kunst nachhaltig beeinflusst haben. Damit ist ein 
Problem angesprochen, das bei der Beschäftigung 
mit Dada stets von neuem zur Kenntnis genommen 
werden muss: dass bei aller Negation der tradi- 
onellen Werte und dass trotz aller Bestrebungen, 
eine Antikunst zu schaffen, letztlich immer wieder 
Nerke entstanden, die ganz eindeutig den Bereichen 
der bildenden Kunst, der Literatur und Poesie sowie 
deren Mischformen zuzurechnen sind. 
Die historische Auslegung solcher Radikalität liegt 
in der europäischen Katastrophe des Ersten Welt- 
krieges begründet, der eine kleine intellektuelle Elite 
in die innere und äussere Emigration trieb. Hat nicht 
gerade dieser Krieg die alten Ordnungen in Europa 
zertrümmert, den Glauben an den Rationalismus des 
19. Jahrhunderts erschüttert und die alten Gesell-
	        
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