Halsansatz liegt wiederum auf einem Sockel auf und
Jnterstreicht den tektonischen Aufbau der Skulptur.
Diese <«Kopf-Plastik) hat nichts Abbildhaftes. Sie ist
an Werk der reinen Phantasie, aber einer Phantasie,
die sich an der Maschine orientiert. Nicht zu Unrecht
nat J. A. Schmoll gen. Eisenwerth! den Kopf mit
ainem Roboter verglichen. Ist es eine Koinzidenz,
dass im selben Jahr, da Belling diesen Kopf realisiert.
der Begriff «Roboter» im Sprachgebrauch auftaucht,
1achdem der tschechische Autor Karel Cäpek 1920
sein Bühnenstück RUR (Rossum’s Universal Robots)
1erausgebracht hatte, das 1923 ins Englische
übersetzt wurde und den Begriff des «Roboters)
popularisierte!
Im Euvre von Belling ist die Phase des Konstruktivis-
mus kurz. Schon sein Frauenkopf von 1925 zeigt alle
Merkmale des Art Deco: Eleganz, Abstraktion eines
Vorbildes, geschmeidige Formen, Bildnischarakter.
Um so wichtiger ist «Skulptur 23» in ihrer Kompromiss
losigkeit, die manche der Forderungen erfüllt, die
\aum Gabo als Mitverfasser des «Realistischen Mani-
fests) 1920 aufstellte. Das Manifest enthielt das
?rogramm des Konstruktivismus, der die neue Reali-
tät bedeutet. Er verankert ein plastisches Werk in den
Grundelementen von Raum und Zeit; anstelle mas
3ziver Volumen wirken dynamisch-kinetische Ele-
nente.2? Das Formenrepertoire ist untraditionell. Die
Maschinenästhetik der Futuristen wird hier ganz
amotionslos und sachlich zitiert. Naum Gabos «Säule,
antstand im gleichen Jahr. Belling reflektiert mit
diesem Werk den Zeitgeist, wie es ihm in dieser
Stärke kaum je wieder gelingen sollte. Der vom
Kunsthaus erworbene-Guss stammt aus dem Nach-
ass des Künstlers. 8 Exemplare existieren. Sie befin-
den sich im Folkwang-Museum Essen, in der Kunst-
halle Hamburg, der Pfalzgalerie Kaiserslautern,
dem Museum des 20. Jahrhunderts in Wien, dem
Yuseum of Modern Art, New York, und dem Pasa-
dena Art Museum. Pasadena.
damals auch von den Dadaisten beherrscht. 1919
macht Raoul Hausmann seinen «Mechanischen Kopf
der den Untertitel trägt «Der Geist unserer Zeit»: ein
glatter Perückenkopf ist mit zufälligen Objets-trouves
bestückt - eine geistreiche, ironische, zeitkritische
Assemblage, die aus demselben Geist lebt wie die
Bilder von George Grosz, etwa «Remember Uncle
August, the unhappy inventor>» von 1919 und «Daum
marries) von 1920. Antworten auf die Zeitumstände
Aber auch Bellings Kopf ist eine Antwort auf seine
Zeit, nicht zeitkritisch, sondern zeitpositiv. Es manife-
stiert sich in ihm ein Glaube an die bessere Welt
der Technik - eine Zuversicht, die er mit den russi-
schen Konstruktivisten für kurze Zeit gemeinsam
teilte.
Dass Bellings Kunst unter dem nationalsozialistischer
Regime nicht gelitten wurde, ist keine Frage. 1937
wird er als entarteter Künstler angeprangert. Er emi-
griert in die Türkei. 1938 wird seine Plastik «Drei- -
klang» auf der Ausstellung <«Entartete Kunst» gezeigt
und viele seiner Arbeiten, die in Deutschland ver-
blieben waren, zerstört.
Erıka Billeteı
ANMERKUNGEN:
J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, Rudolf Belling. Erker-Verlag
St.Gallen, 1971, S. 13.
Deutsche Kunst der zwanziger und dreissiger Jahre, herausg
von Erich Steingräber. Aufsatz von Joachim Heusinger von
Waldegg: Plastik, S. 283. Bruckmann-Verlag, München, 1979
. . Abbildungen in der Literatur:
Jm das Werk auch in einem anderen Zusammenhang JA. Schmoll gen. Eisenwerth, dito, Titelbild und S. 14 b
u sehen: Neben den Konstruktivisten wurde Berlin Deutsche Kunst der zwanziger Jahre, dito, s. 265