Full text: Jahresbericht 1980 (1980)

Halsansatz liegt wiederum auf einem Sockel auf und 
Jnterstreicht den tektonischen Aufbau der Skulptur. 
Diese <«Kopf-Plastik) hat nichts Abbildhaftes. Sie ist 
an Werk der reinen Phantasie, aber einer Phantasie, 
die sich an der Maschine orientiert. Nicht zu Unrecht 
nat J. A. Schmoll gen. Eisenwerth! den Kopf mit 
ainem Roboter verglichen. Ist es eine Koinzidenz, 
dass im selben Jahr, da Belling diesen Kopf realisiert. 
der Begriff «Roboter» im Sprachgebrauch auftaucht, 
1achdem der tschechische Autor Karel Cäpek 1920 
sein Bühnenstück RUR (Rossum’s Universal Robots) 
1erausgebracht hatte, das 1923 ins Englische 
übersetzt wurde und den Begriff des «Roboters) 
popularisierte! 
Im Euvre von Belling ist die Phase des Konstruktivis- 
mus kurz. Schon sein Frauenkopf von 1925 zeigt alle 
Merkmale des Art Deco: Eleganz, Abstraktion eines 
Vorbildes, geschmeidige Formen, Bildnischarakter. 
Um so wichtiger ist «Skulptur 23» in ihrer Kompromiss 
losigkeit, die manche der Forderungen erfüllt, die 
\aum Gabo als Mitverfasser des «Realistischen Mani- 
fests) 1920 aufstellte. Das Manifest enthielt das 
?rogramm des Konstruktivismus, der die neue Reali- 
tät bedeutet. Er verankert ein plastisches Werk in den 
Grundelementen von Raum und Zeit; anstelle mas 
3ziver Volumen wirken dynamisch-kinetische Ele- 
nente.2? Das Formenrepertoire ist untraditionell. Die 
Maschinenästhetik der Futuristen wird hier ganz 
amotionslos und sachlich zitiert. Naum Gabos «Säule, 
antstand im gleichen Jahr. Belling reflektiert mit 
diesem Werk den Zeitgeist, wie es ihm in dieser 
Stärke kaum je wieder gelingen sollte. Der vom 
Kunsthaus erworbene-Guss stammt aus dem Nach- 
ass des Künstlers. 8 Exemplare existieren. Sie befin- 
den sich im Folkwang-Museum Essen, in der Kunst- 
halle Hamburg, der Pfalzgalerie Kaiserslautern, 
dem Museum des 20. Jahrhunderts in Wien, dem 
Yuseum of Modern Art, New York, und dem Pasa- 
dena Art Museum. Pasadena. 
damals auch von den Dadaisten beherrscht. 1919 
macht Raoul Hausmann seinen «Mechanischen Kopf 
der den Untertitel trägt «Der Geist unserer Zeit»: ein 
glatter Perückenkopf ist mit zufälligen Objets-trouves 
bestückt - eine geistreiche, ironische, zeitkritische 
Assemblage, die aus demselben Geist lebt wie die 
Bilder von George Grosz, etwa «Remember Uncle 
August, the unhappy inventor>» von 1919 und «Daum 
marries) von 1920. Antworten auf die Zeitumstände 
Aber auch Bellings Kopf ist eine Antwort auf seine 
Zeit, nicht zeitkritisch, sondern zeitpositiv. Es manife- 
stiert sich in ihm ein Glaube an die bessere Welt 
der Technik - eine Zuversicht, die er mit den russi- 
schen Konstruktivisten für kurze Zeit gemeinsam 
teilte. 
Dass Bellings Kunst unter dem nationalsozialistischer 
Regime nicht gelitten wurde, ist keine Frage. 1937 
wird er als entarteter Künstler angeprangert. Er emi- 
griert in die Türkei. 1938 wird seine Plastik «Drei- - 
klang» auf der Ausstellung <«Entartete Kunst» gezeigt 
und viele seiner Arbeiten, die in Deutschland ver- 
blieben waren, zerstört. 
Erıka Billeteı 
ANMERKUNGEN: 
J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, Rudolf Belling. Erker-Verlag 
St.Gallen, 1971, S. 13. 
Deutsche Kunst der zwanziger und dreissiger Jahre, herausg 
von Erich Steingräber. Aufsatz von Joachim Heusinger von 
Waldegg: Plastik, S. 283. Bruckmann-Verlag, München, 1979 
. . Abbildungen in der Literatur: 
Jm das Werk auch in einem anderen Zusammenhang JA. Schmoll gen. Eisenwerth, dito, Titelbild und S. 14 b 
u sehen: Neben den Konstruktivisten wurde Berlin Deutsche Kunst der zwanziger Jahre, dito, s. 265
	        
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