Hinweis
auf einige Neuerwerbungen
Bereits ein Jahr zuvor hat Gauguin erstmals bei Pis-
sarro in Pontoise gemalt; anlässlich der in den fol-
genden Jahren wiederholten Sommeraufenthalte in
Pontoise hat sich zwischen den beiden beinahe ein
Lehrer-Schüler-Verhältnis entwickelt. Dieses Ein-
gehen des Jüngeren auf die Malweise des Älteren
löste sich bis zu einem gewissen Grad, als Gauguir
1881, wiederum bei Pissarro in Pontoise, Cezanne
kennenlernte.
ZU ZWEI BILDERN VON PAUL GAUGUIN
Als Paul Gauguin zu Beginn des Jahres 1883 seine
bürgerliche Tätigkeit als Bankangestellter und Bör-
senmakler aufgab - freiwillig oder in der Folge der
Wirtschaftskrise von 1882 gezwungenermassen,
bleibe hier dahingestellt! -, bedeutete ihm dieser
Entschluss primär die Möglichkeit: «peindre, desor-
mais, tous les jours.» Das Bedürfnis zu malen hatte
ihn schon Jahre zuvor gepackt, und er begann seine
Laufbahn als Berufskünstler (1883 wurde er 35
Jahre alt) keineswegs als Anfänger. Bereits 1876
wurde erstmals eines seiner Bilder von der Jury des
Salons angenommen.2 Durch seinen Bürokollegen,
Emile Schuffenecker, der wie Gauguin seinen bür-
gerlichen Broterwerb zugunsten des zwar ungebun-
denen, dafür aber um so entbehrungsreicheren
Daseins als freischaffender Künstler aufgeben
sollte, lernte letzterer Pissarro kennen und wurde
durch diesen in den Kreis der Impressionisten ein-
geführt. Neben seiner eigenen Tätigkeit als Maler
erwarb sich Gauguin eine Sammlung impressionisti-
scher Bilder — und besass um 1880 mit Bildern von
C6zanne, Daumier, Guillaumin, Jongkind, Manet,
Monet, Pissarro, Renoir und Sisley eine der wohl
avantgardistischsten Sammlungen jener Tage. Der
tägliche Umgang mit impressionistischen Werken
bestärkte Gauguin in den eigenen Versuchen, und
zwar in dem Masse, dass er 1880 erstmals zusam-
men mit den Impressionisten ausstellen konnte,
offensichtlich auf Fürsprache von Pissarro hin und
gegen den Willen von Monet, von dem überliefert
wird, «ne pas vouloir exposer avec le premier bar-
bouilleur venu>.3
Die persönliche Bekanntschaft mit C&zanne muss
Gauguin in hohem Masse beschäftigt haben; nach
Paris zurückgekehrt, hat Gauguin an Pissarro ge-
schrieben: «Hat Monsieur C6zanne die genaue For
mel des Werkes gefunden, das von aller Welt
verstanden wird? Wenn er das Mittel findet, den
vollständigen Ausdruck aller seiner Empfindungen
in einem einzigen Verfahren zusammenzufassen,
dann versuchen Sie doch bitte, ihn während des
Schlafes zum Sprechen zu bringen, indem Sie ihr
irgendeine geheimnisvolle und homöopathische
Arznei eingeben, und kommen Sie schnellstens
nach Paris, um es uns mitzuteilen.»* C6zanne hat
zweifellos vom Inhalt dieses Briefes erfahren; sein
lebenslanges Misstrauen gegenüber Gauguin ist
wohl auf dieses halb ironische, halb anmassende
Schreiben zurückzuführen. Wiederholt hat er sich
dahingehend geäussert, Gauguin habe ihm seine
«petite sensation» stehlen wollen. Was jedoch in
unserem Zusammenhang wichtiger erscheint als die
persönliche Haltung der beiden Künstler zueinander.
ist die Tatsache, dass C6zannes Malerei für
Gauguins eigene Entwicklung in den frühen 80er
Jahren von ausschlaggebender Bedeutung wurde.
Auch Cezanne wurzelte im Impressionismus. Sein
im Grunde jedoch antiimpressionistisches Streben
nach betonter Körperlichkeit, nach der dem darge-
stellten Gegenstand immanenten Struktur, faszi-
nierte Gauguin und löste bei Ihm eine Entwicklung
aus, die ihn seinerseits vom Impressionismus weg:
führte.
gr