Full text: Jahresbericht 1983 (1983)

Ausstellung die noch nie gezeigten Bestände der 
Graphischen Sammlung vor. Das Kunsthaus besitzt 
die wichtigsten graphischen Blätter dieses für die 
Entwicklung der neueren englischen Malerei bedeu- 
tenden Künstlers des 18. Jahrhunderts, unter 
anderem die bekannten Bilderzyklen «Marriage ä la 
Mode,», «A Harlot’s Progress) und «A Rake’s Prog- 
ress>». Die Graphik nahm im Werk des Kupfer- 
stechers, Malers, Theoretikers und Verlegers 
Hogarth einen bevorzugten Platz ein. In Einzelblät- 
tern und narrativen Bildserien illustrierte er anhand 
von Einzelschicksalen gesellschaftliche Zwänge und 
Situationen von Verführungen sowie deren sich fast 
schicksalhaft daraus ergebende Folgen. Durch die 
kritische Haltung, mit der er in oft derben, lebens- 
nahen Bildern auf die sozialen und politischen Miss- 
stände seiner Zeit, wie Prostitution, Alkohol- 
abhängigkeit, Spielsucht und Gefängniswesen, 
reagierte, übt er auch heute noch eine sehr direkte 
Wirkung aus. Als wertvolle Ergänzung zur Graphik 
konnten wir das Selbstbildnis «Hogarth painting the 
Comic Muse» von 1758 zeigen, das uns freund- 
licherweise von der National Portrait Gallery London 
als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Dieses 
Beispiel bot die Möglichkeit, das Ölbild und den 
entsprechenden Kupferstich, der - wie so häufig 
bei Hogarth - nach dem Gemälde entstanden ist, 
miteinander zu vergleichen und damit der Frage des 
Verhältnisses von Original zu Druckgraphik in 
seinem Werk nachzugehen. 
Die Ausstellung der Neuerwerbungen der Graphi- 
schen Sammlung, die Zeichnungen und Druck- 
graphik aus den achtziger Jahren zeigte, stand unter 
dem Thema «Bilder der Angst und der Bedrohung) 
Aus den Arbeiten der Künstler Jonathan Borofsky, 
Miriam Cahn, Enzo Cucchi, Martin Disler, Mimmo 
Paladino, A. R.Penck und Arnulf Rainer ging deut- 
lich hervor, wie. stark ihr Werk von den heutigen 
Erfahrungen der Bedrohung geprägt ist. Es ist des 
öfteren darauf hingewiesen worden, dass in der 
heutigen Malerei das Lebensgefühl der jungen 
Generation zum Ausdruck kommt. Dieses Lebens- 
gefühl basiert notwendigerweise auf den gesell- 
schaftlichen und politischen Entwicklungen unsereı 
Zeit, in der sich immer mehr Menschen dessen 
bewusst werden, dass sie von anonymen Macht- 
strukturen abhängig sind und somit nicht mehr 
fähig sind, ihr eigenes Schicksal selbstverantwort 
lich zu gestalten. Bei vielen ruft ausserdem das 
Erlebnis des Ausgeliefertseins an die Technik ein 
Gefühl der Ohnmacht hervor. Menschliche Quali- 
täten und Fähigkeiten werden dadurch entwertet, 
dass die Technik, die wir selbst geschaffen haben, 
über uns hinausgewachsen ist. Die psychische 
‚Antiquiertheit des Menschen)», wie Günther Anders 
es nennt, ist eine Quelle ungeheurer Ängste. Auch 
die ökologische Krise, die langsame Zerstörung 
unserer Umwelt durch den Menschen, dringt immer 
mehr ins Bewusstsein. Hinzu kommt die Zuspitzung 
der nuklearen Drohung, die sich anschickt, ein 
apokalyptisches Ausmass anzunehmen. Alle diese 
Krisen erzeugen ein allgemeines Gefühl von Angst 
und Bedrohung. Während die meisten von uns 
dieses Gefühl abwehren und verdrängen, lassen es 
viele Künstler heute zu und gehen in ihren Werken 
damit kreativ um. 
Ausstellungen im Erdgeschoss (Räume 1-Ill) 
Marcel Broodthaers 
Eine kleine Ausstellung stellte das gesamte druck- 
graphische Werk des belgischen Künstlers Marcel 
Broodthaers vor, das wir 1982 durch die finanzielle 
Unterstützung des Migros-Genossenschafts-Bundes 
für die Graphische Sammlung erwerben konnten. 
Die 25 Editionen aus den Jahren 1964 bis 1975, zu 
denen ausser druckgraphischen Blättern auch eine 
bedruckte Photoleinwand, ein Film und eine Flasche 
mit dem Titel «Le manuscrit trouve dans une 
bouteille» gehören, sind als geschlossenes (Euvre 
besonders wichtig, da sich in ihrer Vielfalt Broodt- 
haers gesamtes Schaffen spiegelt. Die Ausstellung 
belegte eindrücklich, wie stark Broodthaers Druck-
	        
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