PIERRE BONNARD _
VIER PANNEAUX DECORATIFS
(«FEMMES AU JARDIN», 1890/91
Die ersten Bilder von Pierre Bonnard (1867-1947)
kamen zusammen mit Werken von Cezanne, Dau-
mier, van Gogh und Vuillard durch das Legat
Dr. Hans Schuler ins Kunsthaus, das damit den
Anstoss gab, die Sammlungstätigkeit, die sich bis
dahin auf Schweizer Kunst konzentriert hatte, auf die
europäische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts aus-
zudehnen. Aus der grossen Ausstellung im Kunst-
haus Zürich «Pierre Bonnard / Edouard Vuillard» von
1932 wurde sodann das bedeutende Bild «Signac
und seine Freunde im Segelboot» von 1924/25 ange:
kauft, und 1950 kam das «Bildnis Ambroise Vollard)»
von 1904/05 hinzu. Letztes Jahr ist es nun dank der
Vereinigung Zürcher Kunstfreunde und einem Bei-
trag zur Erinnerung an Ernst Gamper gelungen,
diese bemerkenswerte Gruppe durch den Ankauf
eines Hauptwerkes aus der eigentlichen Nabis-Zeit.,
die bisher noch nicht vertreten war, in glücklicher
Weise zu ergänzen. Bei der Neuerwerbung handelt
es sich um die erste Fassung für die heute in Privat-
besitz befindliche endgültige Version der Panneaux
decoratifs «Femmes au jardin» von 1890/91.' Die vier
Tafeln, bei denen als erstes ihr ungewöhnliches
Hochformat auffällt, waren ursprünglich für einen
Wandschirm bestimmt, wurden später aber von
Bonnard auseinandergenommen, da sie ihm zu sehr
«Bilder,» zu sein schienen, wie er seiner Mutter in
einem Brief vom 13. März 1891 mitteilte: «Le paravent
est demoli, j’en ai fait 4 panneaux separes. Ils font
bien mieux contre un mur. C’6tait trop tableau pour
un paravent.>»2
«Femmes au Jardin) stellt das erste wichtige Werk
Bonnards im Nabis-Stil dar. Die «Nabis>, ein he-
bräisches Wort für «Propheten» oder <«Erleuchtete,,
lehnten sich gegen die verbrauchten akademischen
Traditionen auf und setzten sich für eine <«Erneue-
rung der Malerei» ein. Der Theoretiker der Gruppe,
Maurice Denis, fasste dies 1890 in dem berühmten
Satz zusammen: «Se rappeler qu’un tableau - avant
d’&tre un cheval de bataille, une femme nue, ou une
quelconque anecdote est essentiellement une sur-
face plane recouverte de couleurs en un certain
ordre assemblees.»3 Diese vielfältig zu interpretie-
rende Maxime brachte einmal zum Ausdruck, dass
der Bildgegenstand in seiner Bedeutung hinter den
rein bildnerischen Mitteln zurücktreten sollte, und
arhob zum anderen die Forderung nach der Flächen
haftigkeit des Bildes. Daraus folgte die Notwendig-
keit, für die Wiedergabe der dreidimensionalen
Wirklichkeit neue, der Fläche entsprechende Dar-
stellungsmittel zu entwickeln, welche die illusio-
nistische Körpermodellierung, den tradierten
Perspektivraum und die seit der Renaissance über-
lieferten Proportions- und Bewegungsgesetze abzu
lösen vermochten.
Die erste Fassung der «Femmes au jardim, in Leim-
farben über Kohle, Bleistift und weisse Kreide auf
Papier gemalt und auf Leinwand aufgezogen, unter-
scheidet sich in der Grösse nur geringfügig von den
andgültigen «Panneaux decoratifs>, besitzt aber
diesen gegenüber die Spontaneität und Unmittelbar
<eit des ersten Wurfes. Dazu trägt auch der aus-
gesprochen graphische Charakter des Werkes bei
Die Zeichnung hat den <«Nabis» ganz allgemein als
Schrittmacher bei der Erarbeitung ihrer neuen
Formensprache gedient. Als «Alternative zum Imita
tiven» bekamen Linien und Arabesken erneut Be-
deutung, nachdem sie im Impressionismus vernach-
lässigt worden waren. Die arabeskenhaft geführte
Linie dient Bonnard als neues bildimmanentes Mitte!
für die Darstellung von Körperlichkeit in der Fläche
Anstelle der illusionistischen Modellierung, die er
auch deshalb ablehnt, weil sie ihm nur das äussere,
scheinhafte Abbild des Modells wiederzugeben
scheint, gelingt es ihm, mit wellenförmig geschwur
genen Umrisslinien, die vor- und zurücktreten und
dadurch raumhaltig werden, den Eindruck von
Volumen entstehen zu lassen. Dieser wird zuweilen
durch ein Anschwellen der Linie an den gewölbten
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