Full text: Jahresbericht 1984 (1984)

PIERRE BONNARD _ 
VIER PANNEAUX DECORATIFS 
(«FEMMES AU JARDIN», 1890/91 
Die ersten Bilder von Pierre Bonnard (1867-1947) 
kamen zusammen mit Werken von Cezanne, Dau- 
mier, van Gogh und Vuillard durch das Legat 
Dr. Hans Schuler ins Kunsthaus, das damit den 
Anstoss gab, die Sammlungstätigkeit, die sich bis 
dahin auf Schweizer Kunst konzentriert hatte, auf die 
europäische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts aus- 
zudehnen. Aus der grossen Ausstellung im Kunst- 
haus Zürich «Pierre Bonnard / Edouard Vuillard» von 
1932 wurde sodann das bedeutende Bild «Signac 
und seine Freunde im Segelboot» von 1924/25 ange: 
kauft, und 1950 kam das «Bildnis Ambroise Vollard)» 
von 1904/05 hinzu. Letztes Jahr ist es nun dank der 
Vereinigung Zürcher Kunstfreunde und einem Bei- 
trag zur Erinnerung an Ernst Gamper gelungen, 
diese bemerkenswerte Gruppe durch den Ankauf 
eines Hauptwerkes aus der eigentlichen Nabis-Zeit., 
die bisher noch nicht vertreten war, in glücklicher 
Weise zu ergänzen. Bei der Neuerwerbung handelt 
es sich um die erste Fassung für die heute in Privat- 
besitz befindliche endgültige Version der Panneaux 
decoratifs «Femmes au jardin» von 1890/91.' Die vier 
Tafeln, bei denen als erstes ihr ungewöhnliches 
Hochformat auffällt, waren ursprünglich für einen 
Wandschirm bestimmt, wurden später aber von 
Bonnard auseinandergenommen, da sie ihm zu sehr 
«Bilder,» zu sein schienen, wie er seiner Mutter in 
einem Brief vom 13. März 1891 mitteilte: «Le paravent 
est demoli, j’en ai fait 4 panneaux separes. Ils font 
bien mieux contre un mur. C’6tait trop tableau pour 
un paravent.>»2 
«Femmes au Jardin) stellt das erste wichtige Werk 
Bonnards im Nabis-Stil dar. Die «Nabis>, ein he- 
bräisches Wort für «Propheten» oder <«Erleuchtete,, 
lehnten sich gegen die verbrauchten akademischen 
Traditionen auf und setzten sich für eine <«Erneue- 
rung der Malerei» ein. Der Theoretiker der Gruppe, 
Maurice Denis, fasste dies 1890 in dem berühmten 
Satz zusammen: «Se rappeler qu’un tableau - avant 
d’&tre un cheval de bataille, une femme nue, ou une 
quelconque anecdote est essentiellement une sur- 
face plane recouverte de couleurs en un certain 
ordre assemblees.»3 Diese vielfältig zu interpretie- 
rende Maxime brachte einmal zum Ausdruck, dass 
der Bildgegenstand in seiner Bedeutung hinter den 
rein bildnerischen Mitteln zurücktreten sollte, und 
arhob zum anderen die Forderung nach der Flächen 
haftigkeit des Bildes. Daraus folgte die Notwendig- 
keit, für die Wiedergabe der dreidimensionalen 
Wirklichkeit neue, der Fläche entsprechende Dar- 
stellungsmittel zu entwickeln, welche die illusio- 
nistische Körpermodellierung, den tradierten 
Perspektivraum und die seit der Renaissance über- 
lieferten Proportions- und Bewegungsgesetze abzu 
lösen vermochten. 
Die erste Fassung der «Femmes au jardim, in Leim- 
farben über Kohle, Bleistift und weisse Kreide auf 
Papier gemalt und auf Leinwand aufgezogen, unter- 
scheidet sich in der Grösse nur geringfügig von den 
andgültigen «Panneaux decoratifs>, besitzt aber 
diesen gegenüber die Spontaneität und Unmittelbar 
<eit des ersten Wurfes. Dazu trägt auch der aus- 
gesprochen graphische Charakter des Werkes bei 
Die Zeichnung hat den <«Nabis» ganz allgemein als 
Schrittmacher bei der Erarbeitung ihrer neuen 
Formensprache gedient. Als «Alternative zum Imita 
tiven» bekamen Linien und Arabesken erneut Be- 
deutung, nachdem sie im Impressionismus vernach- 
lässigt worden waren. Die arabeskenhaft geführte 
Linie dient Bonnard als neues bildimmanentes Mitte! 
für die Darstellung von Körperlichkeit in der Fläche 
Anstelle der illusionistischen Modellierung, die er 
auch deshalb ablehnt, weil sie ihm nur das äussere, 
scheinhafte Abbild des Modells wiederzugeben 
scheint, gelingt es ihm, mit wellenförmig geschwur 
genen Umrisslinien, die vor- und zurücktreten und 
dadurch raumhaltig werden, den Eindruck von 
Volumen entstehen zu lassen. Dieser wird zuweilen 
durch ein Anschwellen der Linie an den gewölbten 
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