Körperpartien unterstützt. Die Arabeske ermöglicht
Bonnard zugleich, Bewegung zu suggerieren, indem
ar die Umrisslinie der flächigen Figuren so führt,
dass sie die Verkürzung der Körperdrehung berück:
sichtigt. Dadurch wird beispielsweise die kompli-
zierte Bewegung der Frauengestalt in der ersten
Tafel deutlich gemacht, was sich besonders an
hrem rechten Arm zeigt, in dem die Kurven-Linie
Armkontur und Körperbewegung zu einer Form zu-
sammenzieht. Bereits in diesen ohne perspektivische
Raumerschliessung gestalteten Tafeln wird ersicht-
ich, dass die Werke Bonnards trotz der Radikalität
der Forderung nach der Flächenhaftigkeit des Bildes
nicht rein zweidimensional sind, sondern Projektio-
nen der tiefenräumlichen Verkürzung in die Fläche
oleiben.
Verwendet Bonnard die Arabeske in der neuen For-
nNensprache als Ersatz für die Modellierung, so
sucht er ebenfalls nach neuen Möglichkeiten für die
Darstellung des «Flächenraumes». Der grün gespren-
kelte Hintergrund von Bonnards Panneau bildet ein
Nächig dekoratives Grundmuster, vor dem die
Gestalten zu schweben scheinen, da ihre Stand-
fläche unmerklich in die Hintergrundsfläche über-
geht. Dadurch, dass die locker gestreuten Punkte
Wiesenboden, Garten und Blattwerk suggerieren,
erhält die Fläche eine gewisse Räumlichkeit. Es ist
jedoch eine Räumlichkeit ohne festen Standpunkt;
sie entspricht nicht mehr der Zentralperspektive und
ihrem Fluchtpunktsvstem.
Bonnard verwendet die Linie auch als Ausdrucks-
mittel, um seelische Erregungen zu vermitteln. Neue
Möglichkeiten zur Ausdruckssteigerung erkennt er
dabei in der «Deformation», das heisst in der Über-
treibung bestimmter Eindrücke zu einer eindring-
lichen Form. Die erste Tafel lebt von der wellen-
förmig bewegten Linie. Der S-förmige Schwung
destimmt als grosse Form die Gestalt der Frau und
des Hundes und kehrt als kleine Form in den Details
wieder. Die Formangleichung zwischen Mensch und
Tier geht bis zu der merkwürdig knochenlos und wie
ausgefranst herunterhängenden linken Hand der
Frau, die die Bewegung der linken Pfote des Hundes
wiederaufnimmt. Die beiden Figuren sind darüber
hinaus formal so zusammengeschlossen, dass sie
ein einziges Ornament bilden, welches sich durch
die gesamte Höhe des schmalen Bildformats zieht
und die Bildfläche dekorativ gliedert, womit Bonnarc
bereits den Jugendstil vorwegnimmt. In dem von
japanischen Holzschnitten angeregten S-Kurven-
schwung,* durch den die natürliche Bewegungsformr
der Frauengestalt einem starken ornamentalen
Zwang unterworfen wird, kommt nicht nur ihre
Körperwendung, sondern auch ihre freudige Erre-
gung und innere Dynamik zum Ausdruck. Zugleich
wirkt die Arabeske in ihrer Zeichenhaftigkeit wie die
Chiffre einer allgemeinen Bewegung, die durch die
Gestalt hindurch- und über sie hinausgeht und
Mensch und Tier, Äste und Blumen in gleicher
Weise erfasst. Sie offenbart damit eine Kraft, die ir.
allem wirksam ist, zeigt als «Lebens-Chiffre» die
grosse Einheit alles Lebendigen.®
Bonnards Tafeln «Femmes au Jardin» tragen auch
den Titel «Les quatre saisons>. Die Darstellung reiht
sich in eine Tradition dieses Bildthemas ein, die von
der Romantik bis zum Symbolismus reicht und ge-
rade um 1890 verstärkt auflebt. In Werken von
Böcklin, Marges, Puvis de Chavannes, Burne-Jones
und Hodler wird das Thema ebenfalls hauptsächlich
mit der menschlichen Figur gestaltet. Im Gegensatz
zu deren idealen, feierlich-entrückten Gestalten, die
sich häufig in einem «rdischen Paradies» bewegen,
gibt Bonnard seine Frauen völlig gegenwarts-
bezogen und in einer modisch betonten Kleidung
wieder. Es ist nicht ganz sicher, ob der Titel «Die
vier Jahreszeiten» von ihm selbst stammt. In der er-
sten Ausstellung im Salon des Artistes independants
von 1891 waren die Tafeln lediglich als «Panneaux
decoratifs» bezeichnet. Der Verzicht auf den aus-
drücklichen Titel erklärt sich vielleicht damit, dass
sich bei den Nabis das Unbehagen gegenüber den
überlieferten Bildthemen in der heftigen Absage an
alle «diterarische) Kunst äusserte. Allein durch for-
O0“