Full text: Jahresbericht 1984 (1984)

fenster ist die für das Kunsthaus erworbene, 
signierte und datierte Gouache von 89x 54 cm. Das 
Werk verblieb ursprünglich im Besitz von van Does- 
burg, gelangte dann als Schenkung von Nelly van 
Doesburg ebenfalls an die Stichting Buyko. Diese 
Wohlfahrtsstiftung übergab schliesslich das Werk 
einer Amsterdamer Kunsthandlung zum Verkauf 
Seine Authentizität ist somit gesichert. Vor der 
Eingliederung in die Sammlung des Kunsthauses 
mussten ein paar kleine Beschädigungen ausge- 
bessert werden. 
Auch wenn es sich bei der «Komposition V» um eine 
Gouache und, funktional, um einen Glasbild-Entwurf 
handelt, spiegelt das Werk in aller Klarheit die 
gestalterischen Konzeptionen und den damaligen 
Stand der Malerei von Theo van Doesburg - wie er 
beispielsweise in der «Komposition in Dissonanten)» 
von 1918 in der Sammlung Marguerite Arp-Hagen- 
bach zutage tritt. 
In der vergleichenden Untersuchung <Piet Mondrian 
und Theo van Doesburg» (München 1979) stellt 
Clara Weyergraf in bezug auf van Doesburgs Kom- 
positionsweise fest: «Grundlage der optisch räum- 
lichen Auflösung der zweidimensionalen Fläche sind 
die stark kontrastierenden Helligkeitswerte der farbi- 
gen Flächenelemente. Die durch ihre Helligkeits- 
wertdifferenz bereits ideal zu räumlich wirksamer 
Kontrastierung geeigneten Elemente sind darüber 
ainaus so zueinander geordnet, dass sie sich zu 
überlagern scheinen. Hierdurch wird die farb- 
räumliche Wirkung noch gesteigert. Als Folge der 
Thematisierung des Raumwerts der Farbe löst sich 
das Bildganze auf in eine Abfolge einzelner Farb- 
oppositionen .) 
Im Gegensatz zu dem Bild «Komposition XIlb von 
1918, auf das sich diese Ausführungen direkt be- 
ziehen, ist im neuerworbenen Glasbild-Entwurf - im 
Hinblick auf die Technik der Verbleiung und der 
geplanten Integration des Werkes in einen architek- 
tonischen Raum - die lineare Struktur geschlossen 
und sind die Farbfelder ohne Überlagerung direkt 
nebeneinandergesetzt. 
Dass für Theo van Doesburg die Anwendung der 
Farbe in der Architektur - oder besser gesagt: im 
Raum - verglichen mit der Tafelmalerei kein bloss 
dekoratives Tun ist, hat er selbst in verschiedenen 
theoretischen Texten zum Ausdruck gebracht. So 
heisst es in dem wichtigen Text «Farben in Raum 
und Zeit, («De Stijb, 1928, XV, Nr. 87/89): «Ich selbst 
habe während meiner Zusammenarbeit mit dem jun 
gen Architekten C. van Eesteren, 1923, versucht, die 
Farbe als Verstärkungsmittel der architektonischen 
Raumgestaltung anzuwenden.) Und im gleichen Text 
spricht van Doesburg von der «gestaltenden An- 
wendung der Farbe im Raum». Er gelangt soweit, die 
einzelnen Flächen, je nach ihrer Lage im Raum, in 
einer bestimmten, jeweils anderen Farbe zu gestal- 
ten. Die um 1918 geschaffenen Glasfenster sind eir 
erster Schritt zur Integration der Farbe in die Archi- 
tektur. Einen Höhepunkt der farb-formalen Raum- 
gestaltung im Werk von van Doesburg sollte dann 
1926/28 die Innenausstattung der «Aubette» in 
Strassburg werden. 
Kompositorisch ist bei der «Komposition V» von 
Interesse, dass van Doesburg das - gegebene - 
hochrechteckige Bildfeld zunächst in der Breite dre' 
teilt und diese lanzettförmigen Bahnen (Erinnerung 
an mittelalterliche Glasfenster?) ihrerseits in hoch- 
ader querrechteckige, teils auch quadratische Felde: 
gliedert. Diese sind jeweils durch eine stets wieder 
andersartige, orthogonale und feine Binnenteilung zı 
fast autonomen Farbkompositionen gemacht. Jede 
dieser Rechteckskompositionen in Weiss, Blau, Rot, 
Gelb, Grün und Violett hat den Charakter einer in 
sich geschlossenen Bildkomposition. Alle zusammer 
bilden ein formal und farbig lebendig rhythmisiertes 
Ganzes. Zu den in sich geschlossenen <Teilbildern) 
finden sich Analogien im Werk von van Doesburg 
wie von Mondrian und Vantongerloo, aber auch vor 
Bill und Lohse.
	        
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