Full text: Jahresbericht 1984 (1984)

liche Warenwelt bebildernde «Stil» von ihnen ge- 
nannt worden ist) bis zu den grossformatigen Wer- 
ken des letzten Jahres, mit denen sich Polke als 
geübter Farben-Akrobat erwies, dessen (abstrakten) 
mit Assoziationen aufgeladenen Bildschöpfungen 
sich innerhalb der zeitgenössischen Kunst kaum 
Gleichartiges zur Seite stellen lässt. Auf dem ge- 
nannten Weg verbanden sich Bildfaszination und 
Ironie zu immer wieder neuen, überraschenden und 
der kunsthistorischen Kategorisierung ständig sich 
entziehenden visuellen Formulierungen. Polke ver- 
wendete dabei in inhaltlicher Hinsicht sämtliches. 
was ihm das vielfältige Kulturerbe an Zitierbarem 
bot und in formaler Hinsicht zahlreiche, industriell 
gefertigte vorgefundene Materialien. Über die 
Paraphrasierung anderer Künstler, die Kommentie 
rung der Massenmedien und gar über Züge des 
Parapsychologischen war Polke so zur Alchemie 
vorgedrungen, die das mit chemischen Stoffen 
arbeitende Kolorit der jüngsten Bilder bestimmte 
Abgesehen von der vorangegangenen Retrospektive 
in Rotterdam, die auch Arbeiten auf Papier mit ein- 
bezogen hatte, darf die Zürcher Ausstellung als bis 
lang umfangreichste Übersicht zum Gesamtwerk 
Polkes bezeichnet werden. Sie wurde in der Presse 
kontrovers diskutiert, wenngleich immer anerken- 
nend und den wichtigen Stellenwert Polkes gerade 
auch für jüngere Künstlerkollegen herausarbeitend 
Kandinsky in Russland und am Bauhaus 1915-1933 
Noch nie war in Zürich eine grosse Ausstellung mit 
Werken von Wassily Kandinsky (1866-1944) zu 
sehen gewesen, obwohl er zu den Pionieren der Ab 
straktion und Wegbereitern der Kunst unseres Jahr 
hunderts gehört. Anders als Klee, Mondrian oder 
Picasso ist er auch in den Sammlungen unseres 
Landes nur ungenügend vertreten. So war es ein 
besonderer Glücksfall, mit «Kandinsky in Russland 
und am Bauhaus 1915 bis 1933» den mittleren Teil 
einer vom Guggenheim Museum New York konzi- 
pierten Trilogie übernehmen und ihn erfreulicher- 
weise mit Leihgaben aus schweizerischem Privat- 
und Museumsbesitz ergänzen zu können. Nach der 
Übersiedlung von München nach Russland wirkte 
Kandinsky in Moskau als Lehrer und nahm mass- 
geblich an den Bestrebungen der Revolutionskunsi 
teil, die in der Ausstellung auch durch Werke von 
Malewitsch, Lissitzky, Rodtschenko, Popowa, Puni 
und Kliun vertreten war. Für sein eigenes Schaffen 
bedeuteten diese Jahre den Übergang von der ex- 
pressionistischen Abstraktion der Münchner Jahre 
zum geometrischen Stil der Bauhaus-Periode. Als eı 
1922 seine Lehrtätigkeit an der berühmten Hoch- 
schule für Gestaltung in Weimar aufnahm, traf er au’ 
Künstler wie Klee, Feininger, Schlemmer, Moholy- 
Nagy und Albers. Wie schon in Russland zeigte 
Kandinsky auch am Bauhaus grosses Interesse für 
angewandte Gestaltung; er vertiefte sein theoreti- 
sches Werk und arbeitete einen Unterricht für Farb- 
theorie und analytisches Zeichnen aus. Als 1933 das 
Bauhaus nach dem Auszug in Dessau auch in Berlir 
geschlossen wurde, emigrierte Kandinsky nach 
Paris, wo sein poetisches Spätwerk entstand. 
Unsere Zürcher Einrichtung versammelte die Haupt 
werke Kandinskys in chronologischer Abfolge in 
einem Mittelgang, während kleinere Formate und 
Graphik sowie die Beispiele der Kunst seiner russi- 
schen und deutschen Zeitgenossen vorwiegend in 
Seitenkabinetten hingen und wechselseitige Einflüs 
se als auch fundamentale Unterschiede der künstle 
rischen Auffassungen sichtbar machten. Arbeiten 
von Studenten aus Kandinskys Seminarien am 
Bauhaus belegten die Auswirkungen seiner bedeut 
samen theoretischen und pädagogischen Aktivitä- 
ten. Gegen Ende der Ausstellung war Kandinskys 
Werk der späten zwanziger und frühen dreissiger 
Jahre thematisch geordnet und wiederum mit 
Werken von Klee, Feininger und Jawlensky, die mit 
ihm in dieser Zeit die Gruppe der «Blauen Vier bil- 
deten, sowie Albers in Beziehung gesetzt. In zwei 
Schlussbildern aus dem Jahr 1933 zeigte sich der 
Optimismus der zwanziger Jahre in eine Stimmung 
der Bedrohung verkehrt.
	        
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