Full text: Jahresbericht 1984 (1984)

es gehört mit zum Wesentlichen in Kandinskys 
<unst, dass Intellekt und Phantasie untrennbar ver- 
junden sind und einen unerschöpflichen Spielraum 
‘ür die freie Kombination von Formen und Farben 
aröffnen. Die von der Last der Gegenständlichkeit 
jefreiten Abstraktionen - die nach Kandinskys 
Norten erst das «Vordringen in die unerforschlichen 
MNefen des Geistigen im Menschen) ermöglichen, er- 
scheinen als autonome Welten, in denen Kräfte und 
3egenkräfte als Gleichnis des Lebens pulsieren. 
<andinskys Bildwelt sprach trotz einer zu kurzen 
_aufzeit ein unerwartet grosses Publikum an, das 
dank einer klar gegliederten Ausstellung und einem 
Jut lesbaren Katalog Zugang zu einem als «schwie- 
Ag) eingestuften Werk fand. Die kontinuierliche Ver- 
mittlung von Klassikern der Moderne in unserem 
Adaus hat dazu sicher beigetragen. 
Kunstschätze aus Alt-Nigeria 
Nigeria ist das einzige Land Schwarzafrikas, in dem 
sich eine über die Jahrhunderte hinwegreichende 
Abfolge von Kulturen feststellen lässt. Während in 
aller Regel die erhaltenen Werke schwarzafrikani- 
scher Kunst, der verwendeten Materialien wegen 
‚vor allem Holz), kein besonders hohes Alter aufwei- 
sen, reichen die Funde von Ife in die Zeit des euro- 
oäischen Hochmittelalters, diejenigen von Benin in 
die Renaissance zurück. Und die älteste Stilstufe 
Nigerias, die Nok-Kultur, ist gar zeitgleich mit der 
Klassischen griechischen Antike anzusetzen. 
Die Hauptentwicklungslinie der nigerianischen Kul- 
:uren unterscheidet sich aber nicht nur in chronolo- 
Jischer Hinsicht vom übrigen Schwarzafrika, 
sondern vor allem in stilistischer Hinsicht. Die 
Deiden zentralen Werkgruppen der Ausstellung, Ife 
und Benin, zeugten von einem Darstellungsvermö- 
gen naturnaher Körperlichkeit, das afrikanischem 
zmpfinden geradezu zuwiderzulaufen scheint. Die 
ebensnahen Ife-Porträtköpfe veranschaulichten ein 
nteresse an der unmittelbar sichtbaren Aussenwelt, 
das man aus europäischer Sicht nur allzu gern als 
axklusives Erbe der klassisch-griechischen Antike 
deklarieren möchte. In diesem Sinne bedeutete die 
Ausstellung nicht nur die Möglichkeit, ein kulturelles 
Erbe, das erst in jüngerer Zeit entdeckt und wissen- 
schaftlich bearbeitet worden ist, kennenzulernen, 
sondern ebenso sehr eine Aufforderung, den klas- 
sisch europäischen Beitrag innerhalb der Weltkultu- 
en in dem Sinne zu überdenken, dass offensichtlich 
auch nichteuropäische Völker ein Schönheitsideal 
entwickelt haben, das dem europäischen weitge- 
hend entspricht. 
Die Ausstellung hat nicht die von uns erhoffte Publi- 
K«umsresonanz gefunden: Ob dies gerade damit 
zusammenhing, dass bei den bedeutendsten Expo- 
naten nicht das Exotische, das Fremde die Sinne 
‚eizte, sondern das Vertraute herauszulesen war? 
Wie dem auch sei - es ist unsere Überzeugung, 
dass die Ausstellung <«Kunstschätze aus Alt-Nigeria)> 
'nnerhalb der 30jährigen Tradition des Kunsthauses., 
auf herausragende aussereuropäische Kulturen 
hinzuweisen, einen Markstein setzte, den wir nicht 
missen möchten. 
Pierre Bonnard 
Die Retrospektive Pierre Bonnard (1867-1947), die 
als letzte Hauptausstellung Mitte Dezember eröffnet 
werden konnte, umfasste - von wenigen Ausnah- 
men abgesehen - Gemälde aus sämtlichen Schaf 
;ensperioden des französischen Meisters. An 160 
ausgewählten Werken verschiedenster Herkunft 
zeichnete sie den künstlerischen Werdegang des 
berühmten Post-Impressionisten nach, vom ersten 
bekannten Selbstporträt bis zu seinem letzten Bild, 
einem 1947 kurz vor seinem Tode gemalten «Aman- 
dier en fleun. 
Im Unterschied zu der kurz vor Ausstellungsbeginn 
zu Ende gegangenen Tournee des Centre Georges 
Pompidou, Paris, der Phillips Collection Washington
	        
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