es gehört mit zum Wesentlichen in Kandinskys
<unst, dass Intellekt und Phantasie untrennbar ver-
junden sind und einen unerschöpflichen Spielraum
‘ür die freie Kombination von Formen und Farben
aröffnen. Die von der Last der Gegenständlichkeit
jefreiten Abstraktionen - die nach Kandinskys
Norten erst das «Vordringen in die unerforschlichen
MNefen des Geistigen im Menschen) ermöglichen, er-
scheinen als autonome Welten, in denen Kräfte und
3egenkräfte als Gleichnis des Lebens pulsieren.
<andinskys Bildwelt sprach trotz einer zu kurzen
_aufzeit ein unerwartet grosses Publikum an, das
dank einer klar gegliederten Ausstellung und einem
Jut lesbaren Katalog Zugang zu einem als «schwie-
Ag) eingestuften Werk fand. Die kontinuierliche Ver-
mittlung von Klassikern der Moderne in unserem
Adaus hat dazu sicher beigetragen.
Kunstschätze aus Alt-Nigeria
Nigeria ist das einzige Land Schwarzafrikas, in dem
sich eine über die Jahrhunderte hinwegreichende
Abfolge von Kulturen feststellen lässt. Während in
aller Regel die erhaltenen Werke schwarzafrikani-
scher Kunst, der verwendeten Materialien wegen
‚vor allem Holz), kein besonders hohes Alter aufwei-
sen, reichen die Funde von Ife in die Zeit des euro-
oäischen Hochmittelalters, diejenigen von Benin in
die Renaissance zurück. Und die älteste Stilstufe
Nigerias, die Nok-Kultur, ist gar zeitgleich mit der
Klassischen griechischen Antike anzusetzen.
Die Hauptentwicklungslinie der nigerianischen Kul-
:uren unterscheidet sich aber nicht nur in chronolo-
Jischer Hinsicht vom übrigen Schwarzafrika,
sondern vor allem in stilistischer Hinsicht. Die
Deiden zentralen Werkgruppen der Ausstellung, Ife
und Benin, zeugten von einem Darstellungsvermö-
gen naturnaher Körperlichkeit, das afrikanischem
zmpfinden geradezu zuwiderzulaufen scheint. Die
ebensnahen Ife-Porträtköpfe veranschaulichten ein
nteresse an der unmittelbar sichtbaren Aussenwelt,
das man aus europäischer Sicht nur allzu gern als
axklusives Erbe der klassisch-griechischen Antike
deklarieren möchte. In diesem Sinne bedeutete die
Ausstellung nicht nur die Möglichkeit, ein kulturelles
Erbe, das erst in jüngerer Zeit entdeckt und wissen-
schaftlich bearbeitet worden ist, kennenzulernen,
sondern ebenso sehr eine Aufforderung, den klas-
sisch europäischen Beitrag innerhalb der Weltkultu-
en in dem Sinne zu überdenken, dass offensichtlich
auch nichteuropäische Völker ein Schönheitsideal
entwickelt haben, das dem europäischen weitge-
hend entspricht.
Die Ausstellung hat nicht die von uns erhoffte Publi-
K«umsresonanz gefunden: Ob dies gerade damit
zusammenhing, dass bei den bedeutendsten Expo-
naten nicht das Exotische, das Fremde die Sinne
‚eizte, sondern das Vertraute herauszulesen war?
Wie dem auch sei - es ist unsere Überzeugung,
dass die Ausstellung <«Kunstschätze aus Alt-Nigeria)>
'nnerhalb der 30jährigen Tradition des Kunsthauses.,
auf herausragende aussereuropäische Kulturen
hinzuweisen, einen Markstein setzte, den wir nicht
missen möchten.
Pierre Bonnard
Die Retrospektive Pierre Bonnard (1867-1947), die
als letzte Hauptausstellung Mitte Dezember eröffnet
werden konnte, umfasste - von wenigen Ausnah-
men abgesehen - Gemälde aus sämtlichen Schaf
;ensperioden des französischen Meisters. An 160
ausgewählten Werken verschiedenster Herkunft
zeichnete sie den künstlerischen Werdegang des
berühmten Post-Impressionisten nach, vom ersten
bekannten Selbstporträt bis zu seinem letzten Bild,
einem 1947 kurz vor seinem Tode gemalten «Aman-
dier en fleun.
Im Unterschied zu der kurz vor Ausstellungsbeginn
zu Ende gegangenen Tournee des Centre Georges
Pompidou, Paris, der Phillips Collection Washington