Full text: Jahresbericht 1984 (1984)

Strahlkraft und Dichte von Licht und Farbe eröffnete 
Ihm eine überraschende, der Wildheit der Atlantik- 
küste entgegengesetzte Erscheinungsform des Er- 
nabenen in der Natur. Die flockig, spontane Mal- 
weise hingegen, das schwebend Unbestimmte des 
dunstigen Himmels entspricht noch ganz den hoch- 
impressionistischen Bildern des vorhergehenden 
Jahrzehnts, jenen «Impressions», auf die die Kritiker 
30 besonders heftig reagierten. Von einer derartigen 
Landschaft «Soleil couchant sur la Seine - Effet 
d’hiver, schrieb er entsprechend, es habe keinen 
Sinn, sie für den Salon einzureichen, da sie <«trop ä 
mon goüt a mob sei.'9 So vermittelt das neu 
geschenkte Gemälde in der ausserordentlichen 
Gruppe von Werken Monets im Kunsthaus zwischen 
den beiden frühen und den späten, immer kühner in 
ingeahnte Reiche absoluter Malerei eindringenden 
3ildern. 
recht brav aus; zwar mit klaren bunten Farben und 
impulsiv frisch gemalt, sind es doch meist wohl- 
geordnete fröhliche Landschaften. Aber was heute 
mit Behagen in jeder bürgerlichen Stube aufgehängt 
würde, vermochte anscheinend 1905 zu schockie- 
ren: Die offene, von van Gogh beeinflusste Pinsel- 
‘ührung, die auf Gauguin zurückgehende parzellie- 
‚ende Betonung der Bildfläche und die unbeküm- 
mert subjektive Farbgebung entfernten sich zu weit 
von dem damals etwa bis zum tonig abbildhaften 
Realismus der Ecole de Barbizon vorgedrungenen 
7ublikumsgeschmack. Einem jungen Maler standen 
aber diese fortschrittlichen Ausdrucksmittel in Paris 
zur Verfügung, und unter der Führung von Matisse 
Demächtigten sich mehrere Künstler dieser Möglich- 
<eiten: Die Leichtigkeit der Eroberung spiegelt sich 
im kometenhaften Aufstieg der Gruppe, der raschen 
Entwicklung und ihrem baldigen Ende." In seiner 
axpansiv-unbekümmerten Lebensweise entsprach 
der kräftige Vlaminck am besten dem Idealbild einer 
ebensfrohen Boheme, wie es die «Fauves;) als 
Segensatz sowohl zu den Salonkünstlern als auch 
zur überfeinerten Decadence pflegten, und da bei 
hm der schöpferische Aufbruch am markantesten 
verlief, gilt er bis heute als Hauptvertreter der Strö- 
mung. Matisse und Braque suchten schon in dieser 
Phase komplexere Lösungen und entwickelten sich 
zu solch bedeutenden und eigenständigen Künst- 
lern, dass ihre fauvistische Periode als Episode 
arscheint; die übrigen Mitglieder der Gruppe hin- 
gegen verloren bald an Intensität und verfielen teil- 
weise den modischen Strömungen, die im Paris der 
Zwischenkriegszeit, ja bis heute erstaunlich erfolg- 
reich waren, ausserhalb Frankreichs aber kaum als 
vollwertig anerkannt wurden. Dieser Verlauf kom- 
oaromittierte wohl auch die Wertung der früheren 
Produktion, so dass man es vorzog, die geringen 
Mittel in andern Bereichen einzusetzen. 
Drei Landschaften von Maurice de Vlaminck 
Von den grösseren künstlerischen Bewegungen seit 
dem Impressionismus war im Kunsthaus der Fauvis- 
mus bisher eindeutig am schwächsten vertreten: Zu 
dem einzigen Gemälde dieser Richtung - Matisse’ 
‘Margot - trat 1982 mit dem von Rene Lang 
geschenkten Gemälde Kees van Dongens ein zwei- 
tes. Aber erst die drei Bilder Vlamincks aus der 
Sammlung Wolf, an die sich die bisher isolierte, 
dereits das Ende des Fauvismus markierende Land- 
schaft von Derain sinnvoll anschliesst, ermöglichen 
ıun ein näheres Verständnis dieser Kunstströmung, 
die trotz der kurzen Blüte in ihrer Zeit von ausser- 
ordentlicher Bedeutung war und bis heute ihre Aus- 
Strahlung bewahrte. 
Was hat es mit diesen «Wilden» auf sich und wie 
Kommt es, dass ihre Werke bisher in Zürich kaum 
vertreten waren? Hatte man Angst vor ihrer Wild- Die drei Gemälde Vlamincks aus der Sammlung 
heit? Das kann es wohl kaum gewesen sein - neben Wolf stammen alle aus den Jahren 1906 bis 1908, 
Kokoschka oder Munch, deren Gemälde Wartmann der kurzen Blütezeit des Fauvismus; das früheste, 
mit Hingebung sammelte, nehmen sich ihre Bilder <«La Seine et Le Pecay2, bildet dessen Charakte-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.