det er emotionelle Ausdrucksgestik und wendet sich
statt dessen der Untersuchung der grundlegenden Be-
dingungen von Malerei zu. Als die Künstler der Mini-
mal Art aus dem als verbraucht und unglaubhaft emp-
fundenen Medium der Malerei auszubrechen und sich
durch dreidimensionale Objekte neue künstlerische
Möglichkeiten zu erschliessen suchten, setzte Ryman
sich erneut intensiv mit diesem Medium auseinander.
Das Werk «Counter», 1983 (Abb. 18), das als erstes
Bild von Robert Ryman in unsere Sammlung kommt,
wird, wie fast alle Werke Rymans, von der Farbe
Weiss und dem Quadrat bestimmt. Diese Beschrän-
<ung ermöglicht dem Künstler, die Grundlagen des
Malens ohne Ablenkungen zu artikulieren. Die Farbe
Weiss hat bei Ryman keinen symbolischen oder meta-
physischen Wert, wie etwa bei Malewitch oder bei
Piero Manzoni; das ist seiner Meinung nach die Sache
einer früheren Generation gewesen. «Ich sehe mich
nicht als jemand, der weisse Bilder macht, ich mache
Bilder; ich bin ein Maler. Weisse Farbe ist mein Me-
dium.»'® Für ihn ist Weiss neutraler als andere Farben
Jınd am wenigsten von Assoziationen belastet.
In «Counter» - wie meist bei Ryman steht der Titel
nicht in Beziehung zu dem Bild, er erleichtert nur die
Unterscheidung - setzt er sich mit allen Elementen
auseinander, die Bestandteile eines Bildes sind und
Disher als solche nicht genügend Beachtung gefunden
haben. Er untersucht die Wirkung des Farbmaterials
Öl auf dem Bildträger Fiberglas und wie sich diese
beispielsweise von einem Auftrag von Öl auf Lein-
wand, Papier, Holz oder Metall unterscheidet. Die
Kombination gerade dieser beiden Materialien ermög-
ılcht eine ganz bestimmte Malerei, nämlich einen
gleichmässig glatten und wenig strukturierten Auftrag,
der aber weniger glatt und glänzend ist, als es etwa
Emaillack auf demselben Bildträger wäre. Allerdings
hängt die Wirkung nicht nur von den verwendeten
Stoffen ab, sondern in hohem Masse auch von der Art
des Farbauftrags, ob Ryman beispielsweise mit brei-
ten oder schmalen Pinseln, in einer oder in mehreren
Lagen malt. «Es geht nie darum, was man malt, son-
dern immer nur, wie man malt. Das ‚Wie” des Malens
hat seit jeher das Bild - das Ergebnis - ausgemacht.
(R. Ryman).'* In unserem Bild ist das warme, gelbliche
Weiss in einem so gleichförmigen, ruhigen Duktus
aufgetragen, dass keine Pinselspuren sichtbar sind. Ir
der flachen Farbschicht ist lediglich die textilartige
Netzstruktur des Fiberglases zu erkennen. An einiger
transparenteren Stellen scheint das Grau des Unter-
grunds hindurch, was dem Bild stellenweise eine
leicht «wolkige>» Erscheinung verleiht. Die einzige deut
lich sichtbare Strukturierung der matten Farbfläche
besteht aus einer horizontalen Spur in der Bildmitte,
die sich aus dem Aneinanderstossen der zwei Fiber-
glasplatten ergibt, aus welchen sich der Bildträger zu
sammensetzt. Auch diese Spur verliert sich immer
wieder unter einer leichten Übermalung. Infolge der
geringen Strukturierung beginnen dem Betrachter die
Grenzen zu verschwimmen, und die widerstandslose
Reflexion des Lichtes erzeugt ein fast schmerzliches
Flimmern, in dem sich die Konzentration des Malvor-
gangs als Intensität mitteilt.
Grosses Gewicht legt Ryman auf die Beziehung zwi-
schen Bildfläche und Rand. In unserem Bild geht die
quadratische Farbfläche über der leichten weissen
Grundierung nicht bis an die Bildränder, sondern lässt
unterschiedlich breite Randstreifen stehen. Zwischen
der äusseren, regelmässigen Quadratform und der
freieren unregelmässig auslaufenden Binnenform wird
auf diese Weise eine Spannung erzeugt, die den Ein-
druck von Belebung und Sensibilität wachhält. An die
ser Stelle liegt ein Spielraum für das Spontane, für die
Entscheidungen, die erst während des Malens fallen
und nicht vorher berechnet sind. Hier zeigt sich, wie
wenig Rymans Kunst —- trotz seiner Bevorzugung des
Quadrats - den konstruktivistischen Tendenzen oder
den strengen geometrischen Formen der Minimal Arı
zuzuordnen ist. «Ich arbeite eher gefühlsmässig. Ich
meine, ich mache die Dinge, indem ich meiner Intui-
tion nachgehe, weil ich einfach das Gefühl habe, dass
sie berechtigt ist - viel eher, als dass ich sie Im voraus
zu rechtfertigen versuche. ®
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Bilder Rymans
ist ihre Aufhängung und die Wechselwirkung von Bila
%