Full text: Jahresbericht 1985 (1985)

werden, dass es ausschliesslich einer günstigen Koin- 
zidenz, dem Zufall im eigentlichsten Sinne des Wortes 
zu danken ist, dass dieses Werk von wahrhaft natio- 
naler Bedeutung nicht ins Ausland verkauft worden 
ist. Es ist bedenkenswert, dass die Öffentlichkeit die- 
ses reichen Landes nicht in der Lage ist, diejenigen 
Mittel bereitzustellen, die nötig wären, um den natio- 
nalen Kunstbesitz, auch und gerade in bezug auf Spit- 
zenwerke, dauernd zu sichern. Die äusserst wichtige 
Rolle privaten Mäzenatentums könnte kaum eindringli- 
cher als anhand dieses Beispieles verdeutlicht wer- 
den. 
Aus den Mitteln desselben Legates konnten gegen 
Jahresende eine Reihe höchst charakteristischer Do- 
kumente der Dada-Bewegung sowie das um 1901 ent 
standene Gemälde «La famille au Jardin» von Pierre 
Bonnard erworben werden. Sowohl die Ergänzungen 
zur immer repräsentativer werdenden Dada-Samm- 
lung wie auch das Gartenbild bedeuten für unsere 
Sammlung je eine höchst willkommene Akzentuierung 
von bereits zuvor herausragenden Beständen. Die Ma- 
lerei Bonnards kann in öffentlichen europäischen 
Sammlungen, mit Ausnahme derjenigen in Paris, wohl 
kaum vielfältiger und gültiger erlebt werden als in 
Zürich. Dass mit diesen Erwerbungen die Mittel der 
grossartigen Zuwendung noch nicht ganz endgültig in 
Anspruch genommen worden sind, lässt berechtigte 
Hoffnungen auf eine erfolgreiche Sammeltätigkeit im 
<ommenden Jahr zu. 
Auch die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde konnte 
ain magistrales Werk ins Eigentum aufnehmen: Wil- 
helm Lehmbrucks «Emporsteigender Jüngling». Diese 
überlebensgrosse Bronzefigur setzt der zuvor eher 
schwachen Werkgruppe dieses Künstlers einen mar- 
kanten Mittelpunkt. Dass Lehmbruck als bahnbrechen- 
der Plastiker des Jahrhundertbeginns gerade in der 
Kunsthaussammlung, die zu ihren Schwerpunkten die 
moderne Plastik zählt, nunmehr mit einer seiner 
relativ wenigen Grossplastiken - wir meinen mit sei- 
nem Hauptwerk — Einzug nimmt, ist nicht zuletzt auch 
im Hinblick auf Alberto Giacometti höchst erfreu- 
lich. 
Der Erwerb wurde dadurch finanziert, dass das Relief 
aus Persepolis, das einen Diener in medischer Tracht 
darstellt und das die Vereinigung 1955 erworben hat- 
te, an den Kanton Zürich zur Aufbewahrung in der ar- 
chäologischen Sammlung der Universität verkauft 
wurde. Somit konnte zweierlei erreicht werden: Die 
”astikabteilung des Kunsthauses konnte wesentlich 
abgerundet werden, das persische Relief ist unserer 
Stadt erhalten geblieben und konnte darüber hinaus in 
jene Sammlungszusammenhänge integriert werden, in 
denen es besser beheimatet ist als es je In unserem 
ahemaligen recht heterogenen Antikensaal war. Als 
Leihgaben haben wir zudem diejenigen Antiken aus 
unserem Eigentum in die archäologische Sammlung 
gegeben. die dort erwünscht sind. 
Je ein Bild von Giovanni Giacometti durften die Verei- 
nigung Zürcher Kunstfreunde sowie die Alberto-Gia- 
cometti-Stiftung als Geschenk von Herrn und Frau 
Bruno und Odette Giacometti entgegennehmen. Auf 
acht erhöht hat sich damit die Zahl der im Kunsthaus 
aufbewahrten Bilder des Bündner Maiers, der zusam- 
men mit seinem Freund Cuno Amiet in der unmittel- 
bar auf Hodier folgenden Stilstufe innerhalb der 
Schweizerischen Kunstgeschichte am eindringlichsten 
auf die expressiven Werte der Farbe hingewiesen hat. 
Anlass der Schenkung an die Alberto-Giacometti-Stif- 
tung war der 20. Jahrestag ihrer Gründung am 16. De- 
zember. Um zu zeigen, dass diese Stiftung trotz äus- 
serst beschränkten finanziellen Mitteln nach wie vor 
danach trachtet, die Sammlung abzurunden, wurde 
auf dieses Datum hin eine kleine Ausstellung der 1965 
Dis 1985 neu ins Stiftungsgut aufgenommenen Werke 
eingerichtet. Dabei konnte festgestellt werden, dass 
der bedeutendste Zuwachs wiederholten Geschenken 
von Bruno und Odette Giacometti zu danken ist.
	        
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