Full text: Jahresbericht 1985 (1985)

um eine in dieser Zeit häufige Gemeinschaftsarbeit 
mit dem Photo-Monteur John Heartfield, die, nach 
dem Katalog «Tendenzen der Zwanziger Jahre», Nr. 3/ 
593 (hier als «Dada-Mann;, 1920), für das nie erschie- 
nene Standardwerk «Dadaco>» vorgesehen war. Für 
diesen für Januar 1920 angekündigten «dadaistischen 
Weltatlas» waren Huelsenbeck und Tzara als Initiato- 
ren aufgetreten, Heartfield sollte die Gestaltung über- 
nehmen. So liegt der Schritt nahe, im «kopflosen,, 
wohlgekleideten Herrn unserer Collage Richard Huel- 
senbeck als Inkarnation von <«dada> zu vermuten. Auch 
als Verlängerung der Beine ins Ungewisse erscheint in 
typographischer Vielfalt das ominöse Wort, das insge- 
samt zwölffach den neuen, im «Weltatlas» vorgestell- 
ten Menschen durchströmt. Die mit Tusche gezoge- 
nen Linien verweisen nicht nur auf die immer präsente 
Querverbindung des Berliner Dadaismus zum Kon- 
struktivismus, sondern siedeln den «Dada-Manmn in je- 
nem ortlosen und allgemeinen Welten-Raum an, den 
<«dadas) Geist erfüllen sollte. 
danken- und Gestaltungswelt. Der Ordensträger ist ja 
nicht nur an einer markanten Stelle entzweigeschnit- 
ten, und ebensowenig markieren unentschlüsselbar 
numerierte Einzelobjekte (Gemüseteile?) zufällig ero- 
gene Zonen. Die «Venus beim Spiel der Könige»: Ein 
beziehungsreich-hinterhältiges Satyrspiel auf das Ver: 
hältnis von Eros und Gewalt, eine geistreiche Persifla 
ge auf die verlogene Moral des Wilhelminismus, die 
von Baargeld psychoanalvtisch visioniert wird 
Zur kleinen Kölner Gruppe war im Frühling 1920 auch 
Hans Arp gestossen, und gemeinsam mit Max Ernst 
antstand die Reihe der «FATAGAGA-;»-Arbeiten (=FAbri 
sation de TAbleaux GAsometriques GArantis). Auch 
die Postkarte, welche Ernst und Arp mit Tzara im 
Herbst 1921 aus den Ferien in Imst und Tarrenz im Ti- 
-ol an Paul Eluard sandten, kann noch als solche ein- 
gestuft werden. Ob die von Tzara in seinem Text ange- 
tönte <«histoire d’amour) sich bereits auf Max Ernsts 
spätere «menage ä trois) mit Eluard und seiner Frau, 
der berühmten Gala, bezieht, bleibt offen. Auch der im 
Photo auf Tzaras Armen thronende Jimmy Ernst kann 
darüber seines zarten Alters wegen in seinen jüngst 
veröffentlichten Memoiren leider nichts berichten. Die 
anderen Damen des Gruppenbildes sind Louise 
Straus, Max Ernsts Gemahlin, in Dada-Kreisen als Ar- 
mada von Duldgedalzen bekannt (links), und Tzaras 
Gefährtin Maya Chrusecz neben Arp. Die Tuschzeich- 
nung Arps entspricht dem im Tirol konzipierten 
«Dada 8) und hat auch formale Analogien zu Holz- 
schnitten der zweiten Flake-Mappe (1921/22). Als Ab- 
sender grüsst ein koboldhaftes Gesicht, eine Kombina- 
tion von Arpscher Tusche und frottageartigen Tabak- 
signalen von Max Ernst. Diese Künstlerpostkarte hat 
zweifellos primär dokumentarischen Reiz, sie führt je- 
doch auch ein vom Expressionismus in die Kunst ein- 
geführtes, neues Medium in den Dadaismus über, von 
wO es viele Künstler des 20. Jahrhunderts zur Nach- 
folge animierte. 
Die Collage von Grosz ergänzt den bisherigen Bestand 
von zwei Zeichnungen, die durch Abbildungen als ei- 
nes seiner Hauptwerke bekannte Collage «Venus beim 
Spiel der Könige» (1920) von Johannes Baargeld wie- 
derum die etwa gleich grosse, 1980 erstandene <«Typi- 
sche Vertikalverklitterung als Darstellung des Dada 
Baargeld» aus dem gleichen Jahr. Zwei Hauptstücke 
des Kölner Dadaisten, der 1925 als halsbrecherischer 
Bergpionier «Jesaias» am Mont-Blanc abstürzte, befin- 
den sich damit in der Sammlung des Kunsthauses. Er 
führte mit Max Ernst 1919-21 die Kölner Dada-Bewe- 
gung an, die mit dem «Ventilator», dem «Bulletin D> 
und der «Schammade» aufmüpfige und gestalterisch 
ausgefallene Broschüren herausgab und die skandal- 
umwitterte Ausstellung «Dada-Vorfrühling»> (1920) 
durchführte. Baargelds «Venus» blickt nicht nur einiger- 
massen süffisant auf das «Spiel der Könige», womit 
wohl der Krieg gemeint ist, die Schnurrbart-Scham- 
haar-Parodie mag dabei vorerst einmal dadaistischen 
Pazifismus und Clownerie bedeuten, in ihrer formalen Während die drei oben beschriebenen Werke die Prä- 
Struktur und in ihren inhaltlichen Assoziationsmustern senz des deutschen Dadaismus in der Sammlung ver- 
wirkt sie aber wie ein Vorläufer surrealistischer Ge- stärken, gehören fünf Neuerwerbungen zum Kreis von
	        
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