von Konturzeichnungen räumlich interpretiert werden.
«Man zieht eine Linie, und sobald man etwas in Bezug zu
hr setzt, entsteht ein Raum, den man dann mit be-
nachbarten räumlichen Situationen verbinden kann.“
Es fasziniert ihn, was man mit der Linie, mit Pinseln
verschiedener Dicke (meist sind es französische Aqua-
rellpinsel) und mit wenig oder viel Druck machen kann.
Die Linie wird ihm zu einem ganz persönlichen Aus-
drucksmittel. Die Anregung durch vorgegebene Strich-
oder Fleckenstrukturen ist nicht erst bei den Surrea-
listen, vor allem bei Max Ernst, ein beliebtes Mittel ge-
wesen, um die Phantasie in Gang zu setzen.** Raetz ist
der Meinung, dass eine Methode, Farbe auf den Mal-
grund zu setzen, plötzlich mit dem Gebrauch irgend-
ainer Situation zusammenfällt; dass der Maler dadurch
stimuliert wird, in ihm liegende Möglichkeiten zu sehen,
die er sonst nicht finden würde.
dient, um die von der Folie umhüllte Kugel von der
anderen Seite zu zeigen (Abb. Nr. 15). Raetz geht es bei
diesen Konturzeichnungen sehr oft darum, mit Hilfe
von Überschneidungen eine räumliche Situation mit ein
fachen Mitteln darzustellen. Man könne verschiedene
-äumliche Bezüge schaffen, je nachdem, wie man eine
Kontur ins Innere der Form ziehe, und das Davor und
das Dahinter trete dadurch manchmal viel eindeutiger
zutage als in der Photographie. Andererseits wird die
Kugel nicht nur in dialektischer Weise gleichzeitig von
oben und von unten, von aussen und von innen sicht-
bar gemacht, sie verwandelt sich auch In ein Gestirn,
in eine Sonne, die beim Untergehen ihre Strahlen aus-
sendet. Das Licht mit seinen Ausstrahlungen hat Raetz
immer gefesselt. In besonderer Beziehung steht zu
diesem Thema das «Gesicht» vom 17.1.1971/7 (Abb.
Nr. 15)6, in dem das linke Auge ein Lichtzentrum bildet.
von dem aus die Strahlen in konzentrischen Schraffu-
ven nach allen Seiten bis über die Bildränder hinaus
gehen. Das rechte, zugekniffene Auge erinnert an
ainige Zeichnungen von 1971, in denen Raetz das nach
innen gerichtete Auge als Narbe, sozusagen als zuge-
nähtes Auge, verbildlicht hat.!” Im Gegensatz dazu
steht hier das weit geöffnete Auge, das Strahlen und
Energielinien von innen nach aussen sendet. Das Auge
also als Lichtorgan, als etwas Selbstleuchtendes. Wär
nicht das Auge sonnenhaft, wie könnten wir das Licht
arblicken?) Goethe zitiert dieses Gedicht des Mysti-
kers Jakob Böhme im Zusammenhang mit seinen Aus-
führungen über das Auge in seiner «Farbenlehre»:
‚Aus gleichgültigen tierischen Hilfsorganen ruft sich
das Licht ein Organ hervor, das seinesgleichen werde.
und so bildet sich das Auge am Lichte fürs Licht, da-
mit das innere Licht dem äusseren entgegentrete.»'8
-ür Raetz ist das Auge Zentrum der Welt, und zwar
sowohl der des Künstlers als auch der des Betrachters
Am selben Tag zeichnete er kurz davor ein «Selbstpor-
trät unter Wasser, in dem sich vom Auge aus Kreise
ausbreiten. die das aanze Gesicht verwackeln. 9
Im Anschluss an die seit 1979 in unserem Besitz be-
#ndliche Zeichnung «Söiniggu> vom 13. Januar 1971,
deren Gegenstand ein wurstartiges, weich sich über-
stülpendes Objekt bildet, konnten wir bei den Neu-
erwerbungen einige Zeichnungen aus der Serie der
weichen Objekte auswählen, die als reine Konturzeich-
nungen entstanden sind, welche zuweilen mit schwar-
zen Flächen kombiniert wurden. Raetz arbeitete gleich:
zeitig an einem Zeichentrickfilm mit sich verändern-
den schwarzweissen Konturzeichnungen.’'® Am Strand
von Carboneras hatte er einen Gummihandschuh ge-
‘unden, der für ihn ein gutes Motiv war, um diese Art
von Zeichnungen daran zu üben. Im Gegensatz zu
dem physiognomischen Eigenleben der «Handschuhe»
vom 14.5.1971 geht Raetz in den Zeichnungen eines
arfundenen Gummituches dem durch das Material be-
sonders weichen Faltenfall nach (Abb. Nr. 15, <«Fliegen-
des Tuch», 1971). Im Frühjahr 1972 führte er dieses
Thema weiter, indem er in grossen Pinselzeichnungen
die Bewegung eines Tuches in der Geschwindigkeit,
wie zum Beispiel beim Flattern, darzustellen versuchte
Eine schwere Stahlkugel, die er in Amsterdam besass,
inspirierte ihn zu der Vorstellung, dass diese in eine Die weitere Entwicklung von Markus Raetz dokumen-
alastische Folie einsinke, die wie auf einem Rahmen tieren unsere 1977 gekauften «Dinten» von 1976 sowie
gespannt wäre. wobei der rechteckige Einschnitt dazu die neu erworbenen Arbeiten von 1981, die beiden
je