Graphische Sammlung
terranen Mythen interessierten Twombly sind mit der
Wagen-, der Rad- und der Flügelform, wie Katherina
Schmidt feststellt, antike Tod- und Auferstehungssym:
bole angesprochen.
Im Anschluss an unsere letztjährige Ausstellung
«Joseph Beuys - Ölfarben» konnten wir noch vor dem
Tod des Künstlers eine Gruppe von Editionen und
kleineren Originalen erwerben. Beuys war an den Edi-
tionen sehr interessiert, da er in ihnen Vehikel zur Ver-
breitung seiner Ideen sah. «Jede Edition hat für mich
den Charakter eines Kondensationskerns, an dem sich
viele Dinge ansetzen können», meinte er in einem
Gespräch dazu. Die «Schautafeln für den Unterricht»
von 1971 zum Beispiel halten die Situation für eine 1963
geplante, nicht ausgeführte Aktion bei Ostende fest,
für die Beuys am Meer einen Betonkubus errichtete. Deı
Siebdruck «Demokratie ist lustig» von 1973 zeigt Beuys
mit Studenten beim Verlassen der Staatlichen Kunst-
akademie Düsseldorf am 10.10.1972, nachdem die Be-
setzung des Sekretariats zur Durchsetzung unbe-
schränkter Zulassung zum Studium wegen Einschrei-
tens der Polizei abgebrochen worden war.
Ankäufe und Geschenke
Die wichtigste Neuerwerbung der Graphischen Samm-
lung, die grossformatige Zeichnung «Anabasis> von
Cy Twombly, konnte dank der 1984 erhaltenen Zuwen-
dung der Georges und Jenny Bloch-Stiftung finanziert
werden. Die Zeichnung vom 20. November 1983
(Abb. Nr. 18) stammt aus einer Werkgruppe, in der Cv
Twombly sich mit dem berühmten Geschichtswerk
des Altertums «Anabasis> auseinandersetzt, dem Augen-
zeugenbericht des griechischen Schriftstellers Xeno-
phon von dem Feldzug Kyros’ d. J. gegen Artaxerxes II
von 401 v. Chr. Nachdem Kyros bei Kunaxa gefallen
war, führte Xenophon das etwa 10 000 Mann starke
griechische Söldnerheer unter grössten Schwierigkeiten
mitten durch feindliche Völker von Tigris nach Hellas
zurück. Das Geschehen wird bei Twombly nicht illustra-
tiv geschildert, sondern ist lediglich durch Symbole
und Zeichen erahnbar. Während in einer anderen Zeich-
nung der Gruppe vom 7. November 1983 noch ein
«Feuerwagen) mit Gestell und zwei Rädern angedeutet
wird, hat Cy Twombly in unserer Zeichnung das Erleb-
nis auf ein einziges Rad in der weissen Fläche reduziert,
aus dem eine Flügelform emporragt, deren orange-
graue Bahn gleichzeitig herausschiessendes Feuer evo-
ziert. Wie ein Rinnsal tritt unter dem Rad ein zerquetsch-
tes Blauviolett aus. Die aus dem Skripturalen entste- Aus der Gedächtnisausstellung für Andre Thomkins
henden Bewegungsspiralen und Radspeichen sind konnten wir aus dem Nachlass das schöne Aquarell
vehement mit dunklen Strichen überdeckt, als ob die Jahrhundertwenden von 1970 kaufen und erhielten
Erinnerung daran ausgelöscht werden sollte. Trotzdem eine frühe Tuschzeichnung von 1964 als Geschenk der
geht die Vergangenheit nicht verloren, da sie durch Familie des Künstlers. Damit konnten die Bestände
die Schichten hindurch sichtbar bleibt. Der dynamische des Kunsthauses, das bereits zwei monumentale Lack-
Gestus der Linie und die verletzlich wirkenden Zwi- skins und das gesamte druckgraphische Werk von
schentöne verleihen der farbigen Zeichnung eine starke Thomkins besitzt, in sinnvoller Weise abgerundet wer-
sinnliche Ausstrahlung. Wie häufig bei dem an medi- den.