Full text: Jahresbericht 1986 (1986)

So erscheint das Jubiläumsgeschenk der Zürcher 
Zünfter zur 650-Jahr-Feier der Brunschen Verfassung 
an die Stadt nicht nur seiner Herkunft, die durch den 
Scharfrichter in den Zürcher Standesfarben betont 
wird25, sondern auch seinem künstlerischen Charakter 
nach als besonders sinnvoll. Obwohl sich in der form- 
bewussten Gestaltung und der präzis verhaltenen 
Psychologie der Szene schon eine ausgeprägte Künst 
lerpersönlichkeit zeigt, bleibt die Tafel doch durchaus 
in den Zusammenhang einer handwerklichen Produk- 
tion im Meisterbetrieb eingebunden, wie sie in der 
Folge der Verfassung von 1336 durch das Zunftwesen 
zur Blüte gebracht und garantiert wurde. Die gleichen 
korporativ-demokratischen Zustände fanden ihren 
prägnantesten Ausdruck in der Tradition der Wappen- 
scheiben; mit dem neuen Nelkenmeister-Gemälde 
gewann Zürich das sprechendste Zeugnis für ihren Zu 
sammenhang mit der hier geschaffenen Tafelmalerei 
zurück.26 
Christian Klemm 
Anmerkungen 
Eine gute Einführung und Gesamtdarstellung gibt Hanspeter 
ı andolt: Die deutsche Malerei. Das Spätmittelalter (1350-1500) 
‘Genf 1968), eine umfassende Aufarbeitung Alfred Stange: 
Deutsche Malerei der Gotik (11 Bände, München und Berlin 
934-61, bes. Bd. VIl: Oberrhein, Bodensee, Schweiz und Mittel- 
hein 1450-1500), dazu die neuere katalogartige Übersicht: 
Alfred Stange: Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder 
vor Dürer (3 Bände, München 1967ff, bes. Bd. 2, S. 74ff). 
Jazu unter interessanter Berücksichtigung des gesellschaftlichen 
Jmfeldes Michael Baxandall: Die Kunst der Bildschnitzer (11980; 
München 1984). 
/ergleiche die erhellenden Analysen von Otto Pächt: Gestaltungs- 
»rinzipien der westlichen Malerei des 15. Jahrhunderts; und: Zur 
deutschen Bildauffassung der Spätgotik und der Renaissance 
111933 resp. 1952; 2in Otto Pächt: Methodisches zur kunsthistori- 
schen Praxis [München 1977] S. 17-58, 107-120). 
Nilhelm Wartmann, der selbst über schweizerische Glasmalerei 
sromoviert hatte, förderte durch drei Ausstellungen von süd- 
deutscher und schweizerischer Tafelmalerei 1921, 1929 und 1934 
deren Erforschung massgeblich; in den gleichen Jahren gelang 
hm der Aufbau der repräsentativen Gruppe von Gemälden der 
Nelkenmeister im Kunsthaus, zusammengestellt im Ausstellungs- 
catalog: Tafelbilder des 15. und 16. Jahrhunderts. 1934. Vgl. Wil- 
1elm Wartmann: Tafelbilder des XV. und XVI. Jahrhunderts. Neu- 
ahrsblatt der Zürcher Kunstgesellschaft 1922. 
Der Goldgrund hat leider stark gelitten; wie bei den Tafeln aus 
dem Kappelerhof war der oberste Teil ursprünglich nur vergoldet 
and nicht damasziert. 
Die Tafel wurde durch die Vermittlung des Münchner Kunst- 
1ändlers Julius Böhler aus dem Besitze einer französischen Familie 
arworben, in der sich das Gemälde schon seit Generationen be- 
fand. 
Eine Tradition unterscheidet den jungen, bartlosen Felix von dem 
älteren Exuperantius; in Zürich ist aber doch die Darstellung mit 
Bart das Übliche, so dass eine Identifikation mit Felix durchaus 
hypothetisch bleiben muss. Vgl. Cecile Ramer: Felix, Regula und 
Exuperantius (Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft Zürich 
XLVIL1973) für eine systematische Zusammenstellung ihrer Dar- 
stellungen. 
Die Bedeutung der Nelken bleibt unklar. Die umfassendste Dar- 
stellung bietet P. Maurice Moullet: Les maitres ä l’ceillet (Basel 
1943), eine überzeugende Gruppierung der Werke nach Meistern 
bei Stange (1955, wie Anm. 1, S. 63ff). 
Stange (1970, wie Anm. 1) Nr. 334a mit älterer Literatur. Die 
Identifikation ist nicht mehr als eine wahrscheinliche Konjektur. 
Löwensprung wird um 1450 geboren worden sein und fiel in 
der Schlacht bei Dornach 1499. Sein noch in Basel entstandenes 
Frühwerk ging 1978 in den Besitz des dortigen Historischen 
Museums über, s. Burkard von Roda: Der Peter Rot-Altar (Basel 
1986; = Basler Kostbarkeiten 7). 
Jer grössere Teil dieses Altars befindet sich in Bern, s. den aus- 
ührlichen Katalog: Kunstmuseum Bern. Gemälde des 15. und 
6. Jahrhunderts, bearbeitet von Hugo Wagner. 1977, S. 25-49.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.