So erscheint das Jubiläumsgeschenk der Zürcher
Zünfter zur 650-Jahr-Feier der Brunschen Verfassung
an die Stadt nicht nur seiner Herkunft, die durch den
Scharfrichter in den Zürcher Standesfarben betont
wird25, sondern auch seinem künstlerischen Charakter
nach als besonders sinnvoll. Obwohl sich in der form-
bewussten Gestaltung und der präzis verhaltenen
Psychologie der Szene schon eine ausgeprägte Künst
lerpersönlichkeit zeigt, bleibt die Tafel doch durchaus
in den Zusammenhang einer handwerklichen Produk-
tion im Meisterbetrieb eingebunden, wie sie in der
Folge der Verfassung von 1336 durch das Zunftwesen
zur Blüte gebracht und garantiert wurde. Die gleichen
korporativ-demokratischen Zustände fanden ihren
prägnantesten Ausdruck in der Tradition der Wappen-
scheiben; mit dem neuen Nelkenmeister-Gemälde
gewann Zürich das sprechendste Zeugnis für ihren Zu
sammenhang mit der hier geschaffenen Tafelmalerei
zurück.26
Christian Klemm
Anmerkungen
Eine gute Einführung und Gesamtdarstellung gibt Hanspeter
ı andolt: Die deutsche Malerei. Das Spätmittelalter (1350-1500)
‘Genf 1968), eine umfassende Aufarbeitung Alfred Stange:
Deutsche Malerei der Gotik (11 Bände, München und Berlin
934-61, bes. Bd. VIl: Oberrhein, Bodensee, Schweiz und Mittel-
hein 1450-1500), dazu die neuere katalogartige Übersicht:
Alfred Stange: Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder
vor Dürer (3 Bände, München 1967ff, bes. Bd. 2, S. 74ff).
Jazu unter interessanter Berücksichtigung des gesellschaftlichen
Jmfeldes Michael Baxandall: Die Kunst der Bildschnitzer (11980;
München 1984).
/ergleiche die erhellenden Analysen von Otto Pächt: Gestaltungs-
»rinzipien der westlichen Malerei des 15. Jahrhunderts; und: Zur
deutschen Bildauffassung der Spätgotik und der Renaissance
111933 resp. 1952; 2in Otto Pächt: Methodisches zur kunsthistori-
schen Praxis [München 1977] S. 17-58, 107-120).
Nilhelm Wartmann, der selbst über schweizerische Glasmalerei
sromoviert hatte, förderte durch drei Ausstellungen von süd-
deutscher und schweizerischer Tafelmalerei 1921, 1929 und 1934
deren Erforschung massgeblich; in den gleichen Jahren gelang
hm der Aufbau der repräsentativen Gruppe von Gemälden der
Nelkenmeister im Kunsthaus, zusammengestellt im Ausstellungs-
catalog: Tafelbilder des 15. und 16. Jahrhunderts. 1934. Vgl. Wil-
1elm Wartmann: Tafelbilder des XV. und XVI. Jahrhunderts. Neu-
ahrsblatt der Zürcher Kunstgesellschaft 1922.
Der Goldgrund hat leider stark gelitten; wie bei den Tafeln aus
dem Kappelerhof war der oberste Teil ursprünglich nur vergoldet
and nicht damasziert.
Die Tafel wurde durch die Vermittlung des Münchner Kunst-
1ändlers Julius Böhler aus dem Besitze einer französischen Familie
arworben, in der sich das Gemälde schon seit Generationen be-
fand.
Eine Tradition unterscheidet den jungen, bartlosen Felix von dem
älteren Exuperantius; in Zürich ist aber doch die Darstellung mit
Bart das Übliche, so dass eine Identifikation mit Felix durchaus
hypothetisch bleiben muss. Vgl. Cecile Ramer: Felix, Regula und
Exuperantius (Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft Zürich
XLVIL1973) für eine systematische Zusammenstellung ihrer Dar-
stellungen.
Die Bedeutung der Nelken bleibt unklar. Die umfassendste Dar-
stellung bietet P. Maurice Moullet: Les maitres ä l’ceillet (Basel
1943), eine überzeugende Gruppierung der Werke nach Meistern
bei Stange (1955, wie Anm. 1, S. 63ff).
Stange (1970, wie Anm. 1) Nr. 334a mit älterer Literatur. Die
Identifikation ist nicht mehr als eine wahrscheinliche Konjektur.
Löwensprung wird um 1450 geboren worden sein und fiel in
der Schlacht bei Dornach 1499. Sein noch in Basel entstandenes
Frühwerk ging 1978 in den Besitz des dortigen Historischen
Museums über, s. Burkard von Roda: Der Peter Rot-Altar (Basel
1986; = Basler Kostbarkeiten 7).
Jer grössere Teil dieses Altars befindet sich in Bern, s. den aus-
ührlichen Katalog: Kunstmuseum Bern. Gemälde des 15. und
6. Jahrhunderts, bearbeitet von Hugo Wagner. 1977, S. 25-49.