Full text: Jahresbericht 1986 (1986)

PETER PAUL RUBENS 
osychiatrische Behandlungen, die im vorliegenden Fall 
nichts nützten. Als Kleinkriminalität nicht zum Ziel führte, 
kam der Münchner auf die Idee, ein Bild zu zerstören: 
dass er dies in Zürich und an dem Porträt Philipps IV. 
praktizierte, scheint weitgehend Zufall gewesen zu sein. 
‚DIE HEILIGE FAMILIE) 
Am 10. Januar 1985 wurde aus einem Seitenlicht- 
kabinett des Kunsthauses eine Ölskizze von Peter Paul 
Rubens gestohlen und blieb bis heute spurlos ver- 
schwunden. Sie stellt die Höllenfahrt des Orpheus dar; 
mit seinem Gesang hat er die Herzen von Pluto und 
Prosperina gerührt und schreitet mit Eurydike dem Aus- 
gang des Hades entgegen. Das kleine Bild gehört zu 
einer grossen Zahl von Entwürfen für einen sehr um- 
fangreichen dekorativen Gemäldezyklus, den der spani- 
sche König Philipp IV. bei Rubens in Auftrag gab und 
der ihn und seine Werkstatt von 1636 bis zu seinem 
Tode 1640 beschäftigte. 
Solche Unglücksfälle werfen durch die Reaktionen, 
die sie auslösen, erhellende Schlaglichter auf den Be- 
trieb des Museums und seine gesellschaftliche Ein- 
bindung. Besonders beim Diebstahl wurde die be- 
grenzte Wirksamkeit der Aufsicht deutlich, die Im Kunst- 
haus auf ein nur noch schwer vertretbares Minimum 
-eduziert wurde. Etwas überrascht hat die Trägheit der 
Polizei, für die die Angelegenheit natürlich nur eines 
der zahlreichen Eigentumsdelikte vorstellte. Beim Brand- 
anschlag hingegen funktionierte sowohl der Feuermel- 
der als auch die Alarmorganisation der technischen Mit: 
arbeiter ausgezeichnet. Ebenso war die zügige und 
kulante Schadenregelung durch die Zürich-Versiche- 
ung eine positive Erfahrung. Die zusätzlichen Sicher- 
heitsmassnahmen, wie Verglasung usw., stiess bei den 
mehr politisch zuständigen Kreisen auf laues Interesse, 
das merkwürdig gegen die internationale publizistische 
Auswertung des Ereignisses als Sensation absticht. 
Dem Publikum, dem die Kunst als solche etwas bedeu- 
*et, und den Museumsleuten, die um die ausserordent- 
iche Seltenheit künstlerischen Gelingens wissen und 
sich für die Erhaltung der Werke verantwortlich fühlen, 
sind solche Reaktionen ebenso wie die Aufplusterun- 
gen der Kunstpreise, vor allem durch die Auktionshäu- 
ser und die Presse, unangenehm, da sie den uneigent- 
lichen Charakter der Kunst als Ware in den Vorder- 
grund schieben und diesen als den für eine breite 
Öffentlichkeit vorzüglich relevanten Wert hinstellen. In 
diesem Zusammenhang muss auch die praktizierte 
affene Informationspolitik und das Verantwortungsbe- 
wusstsein der Massenmedien in Frage gestellt wer- 
den; ist es doch eine wissenschaftlich erwiesene Tat- 
sache, dass derartige Sensationsmeldungen die ent- 
sprechende Kriminalität fördern. 
Wenige Monate später, am 13. Juni 1985, wurde im 
selben Raum das Brustbild Philipps IV. von Rubens, das 
gleichfalls der Ruzicka-Stiftung gehörte, vollständig 
zerstört. Es war das letzte erhaltene Porträt des Mon- 
archen von seiner Hand und auch abgesehen von der 
herausragenden künstlerischen Qualität von besonde- 
rem Interesse, da der König als Herr und Auftragge- 
ber das Leben des Malers über Jahre bestimmte.? Die 
Tat ereignete sich wenige Stunden vor der Vernissage 
der Ausstellung deutscher Romantiker aus der National- 
galerie Berlin. Da ein Zusammenhang zu befürchten 
war, wurden die dort gezeigten Gemälde vollzählig mit 
Gläsern geschützt. Die Sicherheitsmassnahmen, de- 
ren Notwendigkeit die beiden Ereignisse handfest de- 
monstrierten, brachten eine ausserordentliche Bela- 
stung für den Betrieb; auch wenn inzwischen die 
grösste Arbeit geleistet ist, bleibt doch noch stets etli- 
ches zu tun und eine dauernde Mehrbelastung. Dank 
den Untersuchungen der Gerichte und dem Fleiss 
eines Journalisten? wurden die Motive und Hinter- 
gründe des Täters erhellt und einer grossen Öffentlich- 
keit bekannt gemacht. Ein junger Mann konnte im 
Leben keinen Sinn sehen, und da ihm bei Selbstmord- 
versuchen der nötige Wille fehlte, wollte er den Rest 
seines Lebens im Gefängnis verbringen. Früher bot die Das schwierigste Problem, das sich uns stellte, war 
Gesellschaft diesen Komfort; heute offeriert man das Auffinden eines Ersatzes. Hier halfen weniger die 
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