Full text: Jahresbericht 1986 (1986)

angeführten, mehr äusserlichen und organisatorischen 
Erfahrungen als individuelle Gespräche mit Museums- 
besuchern, Bekannten und Kollegen. Überraschend und 
enttäuschend war, wie gering die Erinnerung an die 
verlorenen Werke war; besonders die Ölskizze scheint 
vor ihrem Verschwinden kaum wahrgenommen wor- 
den zu sein. Trotz ihrer, auf der spontanen Malerei 
beruhenden vermeintlichen Modernität gehört sie offen- 
sichtlich zu einer schwierigen Gattung, die ein breites 
Publikum unbefriedigt lässt und an die Kenner schwer 
einlösbare Ansprüche stellt. 
Das Porträt Philipps IV. wurde von den Zürcher Kunst 
llebhabern kaum in seiner ausserordentlichen künst- 
lerischen Qualität und historischen Bedeutung erkannt 
Merkwürdigerweise kommen sowohl die Porträts van 
Dycks als diejenigen von Rubens vor allem in Gruppen 
zur Geltung: während bei jenen erst dadurch der Sinn 
für die feinen Nuancen geschärft wird, so klärt sich bei 
diesen im Vergleich die individuell vertiefte Auffas- 
sung der Bildgestaltung. Rubens scheut dabei —- anders 
als der höfische van Dyck - scheinbar Ungeschicktes 
und Härten als Ausdrucksmittel durchaus nicht. Die 
überreiche Verkrustung der Gewandbehandlung, die 
mächtige, dem bleichen Gesicht bedrohlich nahe Kor- 
del der Draperie wurden bei der isolierten Stellung 
des Gemäldes in unserer Sammlung nicht als künst- 
lerisch hoch bewusste Ausdruckswerte wahrgenom- 
men. 
Weitere Überlegungen nahmen ihren Ausgangspunkt 
bei den Absichten von Prof. Leopold Ruzicka, die er bei 
der Wahl der Gemälde seiner Sammlung zur Geltung 
brachte und im Katalog von 1949 aussprach: «Die 
Schaffung einer dem Zürcher Kunsthaus fehlenden re- 
präsentativen Abteilung Niederländischer Kunst.* Was 
er hier in erstaunlich kurzer Zeit erreichte, ist bewun- 
dernswürdig und wenn dies nicht im vollen Umfang 
gelang, lag es nur an gewissen ungünstigen äusseren 
Umständen, die der Sammeltätigkeit früher als geplant 
ein Ende setzten. Die Idee des Repräsentativen im 
Sinne des Beispielhaften wurde für viele Künstler und 
Zweige erreicht - weitgehend für die Holländer, we- 
niger für die Flamen. Im Sinne des Stifters und der 
Sammlung musste sich unsere Hauptaufmerksamkeit 
wiederum auf das Werk Rubens’ richten und wir ent- 
wickelten gewissermassen ein Robotbild des idealen 
Ersatzes: es sollte ein Figurenbild sein, vorzugsweise 
eine mehrfigurige Szene, möglichst aus der malerisch 
voll entwickelten, reifen oder späten Zeit, im Format 
nicht klein aber auch nicht so gross, dass der Massstab 
der vorhandenen Bilder gesprengt würde, dazu ein 
sigenwertiger Landschaftsteil und das Ganze im Rah- 
men des vorhandenen Budgets... 
Freilich musste dies als Utopie gelten, denn schon zu 
Rubens’ Lebzeiten waren seine Werke sehr gesucht 
und der Grossteil seiner Produktion gelangte bereits im 
17. oder 18. Jahrhundert in die grossen fürstlichen 
Sammlungen. Noch am ehesten sind Ölskizzen erhält- 
lich, wobei sich allerdings auch in dieser Gattung nichts 
Verlockendes zeigte. Zahlreiche Angebote mussten 
verworfen werden, während Versuche, Erwünschtes 
direkt von Sammlern zu kaufen, zu nichts führten. 
So wurde die Suche auf die wichtigen holländischen 
Maler ausgedehnt; Werke von Frans Hals wurden ge- 
prüft, Ja selbst ein Gemälde von Zurbaran erhielt man 
zur Ansicht. Dabei stand man unter einem unabweis- 
baren Zeitdruck, denn die Preise für erstklassige Alt: 
meister-Gemälde steigen in den letzten Jahren un- 
heimlich rasch. 
Schliesslich tauchte aus einer englischen Privatsamm- 
lung, die in den letzten Jahren wiederholt durch spekta 
kuläre Entdeckungen - so von zwei Hauptwerken 
Poussins® —- von sich reden machte, das in der Folge 
von der Ruzicka-Stiftung erworbene Gemälde von 
Rubens auf, das in kaum erhoffter Weise den Erforder- 
nissen entsprach.® Das Thema, Maria und Kind, durch 
Josef und ein dienendes Engelein zur heiligen Fami- 
ıle erweitert, ist das häufigste bei Rubens und erscheint 
vielfach abgewandelt durch sein ganzes Werk. Am 
nächsten verwandt war ein Bild, das vor Jahrzehnten 
in San Francisco verbrannte/; gegenüber dieser ge- 
drängten, hochrechteckigen Komposition, wie sie für 
private Andachtsbilder üblich waren, entwickelt sich
	        
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