angeführten, mehr äusserlichen und organisatorischen
Erfahrungen als individuelle Gespräche mit Museums-
besuchern, Bekannten und Kollegen. Überraschend und
enttäuschend war, wie gering die Erinnerung an die
verlorenen Werke war; besonders die Ölskizze scheint
vor ihrem Verschwinden kaum wahrgenommen wor-
den zu sein. Trotz ihrer, auf der spontanen Malerei
beruhenden vermeintlichen Modernität gehört sie offen-
sichtlich zu einer schwierigen Gattung, die ein breites
Publikum unbefriedigt lässt und an die Kenner schwer
einlösbare Ansprüche stellt.
Das Porträt Philipps IV. wurde von den Zürcher Kunst
llebhabern kaum in seiner ausserordentlichen künst-
lerischen Qualität und historischen Bedeutung erkannt
Merkwürdigerweise kommen sowohl die Porträts van
Dycks als diejenigen von Rubens vor allem in Gruppen
zur Geltung: während bei jenen erst dadurch der Sinn
für die feinen Nuancen geschärft wird, so klärt sich bei
diesen im Vergleich die individuell vertiefte Auffas-
sung der Bildgestaltung. Rubens scheut dabei —- anders
als der höfische van Dyck - scheinbar Ungeschicktes
und Härten als Ausdrucksmittel durchaus nicht. Die
überreiche Verkrustung der Gewandbehandlung, die
mächtige, dem bleichen Gesicht bedrohlich nahe Kor-
del der Draperie wurden bei der isolierten Stellung
des Gemäldes in unserer Sammlung nicht als künst-
lerisch hoch bewusste Ausdruckswerte wahrgenom-
men.
Weitere Überlegungen nahmen ihren Ausgangspunkt
bei den Absichten von Prof. Leopold Ruzicka, die er bei
der Wahl der Gemälde seiner Sammlung zur Geltung
brachte und im Katalog von 1949 aussprach: «Die
Schaffung einer dem Zürcher Kunsthaus fehlenden re-
präsentativen Abteilung Niederländischer Kunst.* Was
er hier in erstaunlich kurzer Zeit erreichte, ist bewun-
dernswürdig und wenn dies nicht im vollen Umfang
gelang, lag es nur an gewissen ungünstigen äusseren
Umständen, die der Sammeltätigkeit früher als geplant
ein Ende setzten. Die Idee des Repräsentativen im
Sinne des Beispielhaften wurde für viele Künstler und
Zweige erreicht - weitgehend für die Holländer, we-
niger für die Flamen. Im Sinne des Stifters und der
Sammlung musste sich unsere Hauptaufmerksamkeit
wiederum auf das Werk Rubens’ richten und wir ent-
wickelten gewissermassen ein Robotbild des idealen
Ersatzes: es sollte ein Figurenbild sein, vorzugsweise
eine mehrfigurige Szene, möglichst aus der malerisch
voll entwickelten, reifen oder späten Zeit, im Format
nicht klein aber auch nicht so gross, dass der Massstab
der vorhandenen Bilder gesprengt würde, dazu ein
sigenwertiger Landschaftsteil und das Ganze im Rah-
men des vorhandenen Budgets...
Freilich musste dies als Utopie gelten, denn schon zu
Rubens’ Lebzeiten waren seine Werke sehr gesucht
und der Grossteil seiner Produktion gelangte bereits im
17. oder 18. Jahrhundert in die grossen fürstlichen
Sammlungen. Noch am ehesten sind Ölskizzen erhält-
lich, wobei sich allerdings auch in dieser Gattung nichts
Verlockendes zeigte. Zahlreiche Angebote mussten
verworfen werden, während Versuche, Erwünschtes
direkt von Sammlern zu kaufen, zu nichts führten.
So wurde die Suche auf die wichtigen holländischen
Maler ausgedehnt; Werke von Frans Hals wurden ge-
prüft, Ja selbst ein Gemälde von Zurbaran erhielt man
zur Ansicht. Dabei stand man unter einem unabweis-
baren Zeitdruck, denn die Preise für erstklassige Alt:
meister-Gemälde steigen in den letzten Jahren un-
heimlich rasch.
Schliesslich tauchte aus einer englischen Privatsamm-
lung, die in den letzten Jahren wiederholt durch spekta
kuläre Entdeckungen - so von zwei Hauptwerken
Poussins® —- von sich reden machte, das in der Folge
von der Ruzicka-Stiftung erworbene Gemälde von
Rubens auf, das in kaum erhoffter Weise den Erforder-
nissen entsprach.® Das Thema, Maria und Kind, durch
Josef und ein dienendes Engelein zur heiligen Fami-
ıle erweitert, ist das häufigste bei Rubens und erscheint
vielfach abgewandelt durch sein ganzes Werk. Am
nächsten verwandt war ein Bild, das vor Jahrzehnten
in San Francisco verbrannte/; gegenüber dieser ge-
drängten, hochrechteckigen Komposition, wie sie für
private Andachtsbilder üblich waren, entwickelt sich