Volltext: Jahresbericht 1987 (1987)

geometrisch-konstruktive Kunst unseres Jahrhunderts 
entscheidend mitgeprägt hat. 
Huszar war in vielen Bereichen tätig: Neben den Glasfen- 
stern (die ihn mit Theo von Doesburg «Komposition V», 
1918, Glasfenster-Entwurf unserer Sammlung* verbinden) 
entstanden Bewegungsstudien und Tanzfiguren, er war als 
Typograph und gefragter Reklameentwerfer tätig. Ganz 
besonders intressierte er sich jedoch für Architektur und 
schuf u.a. für den Architekten Jan Wils, der wiederum auch 
mit van Doesburg zusammenarbeitete, mehrere farbige 
Reklamegestaltungen.” Wie die Schenkgeber, Margit und 
Rolf Weinberg, schreiben, handelt es sich bei Huszars 
Objekt um eine der «ersten räumlichen Anwendungen der 
Gestaltungselemente der Künstlergruppe de Stijl unter 
Verwendung der Primärfarben.» 
In einem verwandten, einerseits konkreten, andrerseits 
mehr theoretischen Bezug zur Architektur steht das Bild 
«Komposition in Rot, Blau und Gelb», 1930, von Piet 
Mondrian, dem herausragenden Maler von de Stijl. Es 
gesellt sich, bedeutsamstes Einzelwerk aus der Schenkung 
des Architekten und Architekturprofessors Alfred Roth, 
als «zweiter Mondrian» zur bereits 1956 nach grossen 
Diskussionen erworbenen «Komposition I», 1925. Afred 
Roth, der 1927 in Stuttgart beim Bau der Weissenhof-Sied- 
lung als Mitarbeiter Le Corbusiers u.a. die holländischen 
Architekten J.J.P. Oud und Mart Stam kennengelernt 
hatte und Mondrians Bauhaus-Buch 5 «Neue Gestaltung» 
besass, traf erstmals Ende April 1928 mit dem Künstler in 
dessen Pariser Atelier zusammen. Die «Offenbarung» fand 
eine Fortsetzung in mehreren, freundschaftlichen Werk- 
statt-Gesprächen. Roth interessierte insbesondere die enge 
Verwandtschaft der offenen, neoplastischen Bildkonzep- 
tion mit der ebenso offenen Raumkonzeption der 
modernen Architektur, insbesondere der holländischen.® — 
«Mondrians Malerei befand sich in jenem Zeitpunkt im 
Stadium letzter Klärung, gekennzeichnet durch grössere 
Vereinfachung der Konzeption, ausgewogeneres Gleichge- 
wicht der Bildelemente und sublimiertere ästhetische 
Ordnung, als dies in früheren Stadien der Fall war. Anstelle 
der in das Leinwandformat eingefügten, in sich geschlos- 
senen Komposition trat jetzt der nach allen vier Rich- 
tungen sich öffnende und ausdehnende Bildaspekt. 
Sowohl das Grundlinienkreuz der Bildstruktur als auch die 
farbigen und weissen Felder sind über den Bildrand hinaus 
fortgesetzt gedacht. Dadurch wird die Komposition zu 
einem konzentrierten Ausschnitt eines angenommenen 
imaginären und künstlerischen Ordnungssystems ge- 
macht, gewissermassen kosmischen Gleichgewichts.» 
«Sein» Bild bestellte Alfred Roth erst etwas später, von 
:inem längeren Arbeitsaufenthalt in Göteborg aus. Am 
6. September 1929 schrieb er dem Künstler u.a.: «Le heu- 
reux moment 0ü yarrive A la realisation de mon plus grand 
desir est venu: de vous commander une peinture. Je vous 
»nvoie par mandat postal francs francais 800, une petite 
premiere somme, mais je vous promets de Paugmenter 
aussi vite que possible, soit en deux mois d’environ. J’ai 
travaille durement pour arriver dejä A ceci et je ne cesseral 
pas de vous contenter entierement. Je vous raconte en deux 
mots pourquoi il me faut un «Mondrian». Ce mn’est pas 
seulement parce que cette ceuvre me donnera de Padmira- 
tion et de la joie contemplative infinies et m’approchera 
votre esprit et votre personnalite tout pres de mol, mais C’est 
aussi pour en tirer des recherches personnelles sur Vart 
plastique.» — «Choisissez entre vos oeuvres une, qui, la lais- 
sant, ne vous fasse pas trop de chagrin, seulement une 
vetite, ainsi je pourrai facılement l’emporter sur mes 
voyages (max. 40 cm)». Mondrian willigte ein, auch zum 
Spezialpreis von total 1500 francs, und bat um einen diffe- 
renzierteren Auftrag: «Ecrivez-moi si vous preferiez bleu et 
jaune, blanc et gris, ou bien rouge, peu de bleu et de jJaune et 
blanc et gris. Ces dernieres ceuvres avec du rouge sont plus 
'reelles”, les autres plus spirituelles plus ou moins».” 
Alfred Roth wartete sehnsüchtig auf das Bild, und so wollte 
er Mondrian die Entscheidung überlassen. Immerhin 
bemerkte er in seiner Antwort vom 17. September, er würde 
viel Rot und weniger Blau und Gelb vorziehen. Auf der 
Rückreise von Schweden in die Schweiz machte Roth am 
30. Januar 1930 in Paris Halt: «Der grosse und glückliche 
Moment war gekommen! Mondrian zeigte mir mit stiller 
Freude das für mich bestimmte, extra auf die Staffelel 
gestellte Bild. Meine Begeisterung kannte kaum Grenzen! 
Die Komposition hätte meiner Wunschvorstellung nicht
	        
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