Hinblick auf eine inhaltliche Aussage hin interpretiert. Diese
Verschiebung in der Beschäftigung mit dem dreidimensio-
nalen Objekt läuft einerseits parallel mit der Auseinander-
setzung in der Ölmalerei, die ein langsameres, besinnli-
cheres und das eigentlich taktile Element der Malerei
zwangsläufig mehr reflektierendes Vorgehen erfordert,
und andererseits mit der zunehmenden «Abstrahierung» in
den Zeichnungen, die, ihre Graphitflächen bis zu tiefen
Variationen des Schwarz verdichtend, mehr dem Neben-
und Hintereinander der Bildelemente im diffusen Raum
als der Verschlingung der körperlichen und pflanzlichen
Formen sich widmet.
Was sich erhalten hat, sowohl die Malerei wie die Plastik
kennzeichnend, ist eine ambivalente Grundhaltung in der
Herstellung des künstlerischen Produkts: Diese Figura-
tionen werden nach wie vor aus dem Kräftespiel des Schöp-
ferischen und des Destruktiven, der Liebe und des Hasses,
des wissenden Entsetzens und der fast kindlich zu
nennenden Neugier, des Materiellen und des Geistigen
geboren. Der ernsthaften inhärenten Auseinandersetzung
mit einer potentiell zerstörerischen Umwelt (viele Titel von
Arbeiten sind ein vorerst «literarischer» Hinweis darauf)
steht die Neu-Schöpfung eines Objekts gegenüber, das in
beinahe surrealistisch zu nennender Art Gegenstände
verfremdet, in ihrer «Funktion» manipuliert und andere
scheinbar die Form von bekannten Alltagsdingen
annehmen lässt.
Zwischen höllischer Ausgeburt infolge einer - wie auch
ımmer verursachten - Mutation und Disney-Figur,
zwischen gefährlichem Sägefisch und verniedlichtem
Buntspecht und doch «weder Fisch noch Vogel» spielt der
Mutant die verschiedenen Konnotationsebenen gegenein-
ander aus, die jedoch im formalen Bereich trotzdem, und
nicht zuletzt durch die tonig farbige Fassung, vereinheit-
licht sind. Ein Türklinkenpaar wird zu Stützen des eigent-
lichen Rumpfes dieses Zwitterwesens, zu «Beinen» im Sinn
einer klassischen Statik der Plastik, wobei diese Stummel-
fortsätze je nach «Leseweise» sowohl Arme wie Flügel wie
auch Füsse sein könnten - oder auch alles miteinander. Die
dritte Stütze wird von einem schräg aus dem Rumpf wach-
senden hammerartigen Fortsatz gebildet, der dem ganzen
Gebilde im Zusammenwirken mit dem «Schnabel» eine
bestimmte Richtung verleiht und diesen Zug gleichzeitig,
wie durch einen Bremsklotz verursacht, konterkariert.
Diese Bewegung scheint auch in den verwendeten oder zu
assozlierenden Gegenständen selbst gefroren zu sein, die
üblicherweise mit manuellen Tätigkeiten verbunden sind:
in den Klinken und der Hammerform, die sich hier zu stüt-
zender oder gar bremsender Untätigkeit verurteilt sehen,
und selbst im Sägeblattschnabel, der seinerseits einer Hand-
säge entstammt.
In diesem Sinn, in der Verfremdung und der Umdeutung
der einzelnen Teile zu etwas Neuem im Zusammenklingen
mit dem Ganzen, sind Klaudia Schifferles Figurationen mit
den Plastiken Pablo Picassos aus den fünfziger Jahren
verwandt, die Werner Spies als die «enzyklopädischen»
bezeichnet hat.! Vor allem bei Frau mit Kinderwagen von
1950 und Pavian mit Jungem von 1952 hat Picasso Fundge-
genstände so in das Figurenganze gefügt, dass diesen im
plastischen Zusammenhang eine andere Bedeutung zu-
kommt und ihr eigentliches Konnotationsfeld begrifflich
hinter das neu entstandene zurückgedrängt wird; so etwa,
wenn bei der «Frau» eine Ofenplatte zur Spitzenbluse, zwei
Keramikhenkel zu Babybeinen werden, oder wenn die
Schnauze des «Pavians» von zwei gekoppelten Spielzeug-
autos gebildet wird. Wie dem Picasso dieser Jahre geht es
auch Klaudia Schifferle darum, diese Fundstücke zu inte-
grieren, nicht als eigenständige «Zitate» im Sinne einer
plastischen Collagetechnik bestehen zu lassen. Aus
demselben Grund auch hat Picasso zahlreiche seiner
Plastiken in Bronze giessen lassen und farblich gefasst (oder
eine solche Fassung zumindest vorgesehen, wie etwa bei der
Frau mıt Kinderwagen).?
Der Vergleich liesse sich noch weiterführen: Auch Klaudia
Schifferle unterstreicht in ihren neuen Skulpturen durch
die Farbfassung vielmeher die Struktur des Plastischen als
dass sie diese im Hinblick auf eine Lesbarkeit interpretiert,
wie dies etwa noch beim Blumenstrauss (eig. Ohne Titel,
1986/87)} der Fall gewesen ist. So wird beim Mutant die
Rippenstruktur am «Kopf» und am eigentlichen «Rumpf»
durch das tiefe Schwarz in den Furchen betont, während sie