servant inlassablement de modele et de confidente. ... Vuil-
lard lui voua une amitie constante qui, durant quarante ans,
ae connut pas le plus leger nuage.»*
Von 1902 bis 1914 verbrachte Vuillard die Sommermonate
regelmässig mit der Familie Hessel in der Normandie oder
in der Bretagne. Das Bild «Village au bord de la mer»* ist
während eines solchen Ferienaufenthaltes in Saint-Jacut in
der Bretagne entstanden, wo Vuillard vom 7. Juli bis zum
30. September 1909 weilte. Anders als auf Reisen konnte er
sich bei den längeren Aufenthalten mit dem jeweiligen Ort
vertraut machen. «Landschaften hat er nur dann gemalt,
wenn er sie auch „besass“ — wie seine Innenräume - wenn er
sie auch „bewohnte“, wenn sie in den Bereich seiner Inti-
mität gekommen waren».* In Saint-Jacut hat Vuillard unge-
wöhnlich viel gezeichnet und gemalt. In seinem Journal
berichtet er fast täglich von seiner Arbeit an einem Bild
oder Pastell und von seinen Skizzen vor der Natur.” Von
seinen Spaziergängen ans Meer, zum Hafen oder ins Dorf
und von seinen längeren Ausflügen und Bootsfahrten
brachte er Bleistiftskizzen und Pastellstudien zurück, die
ihm als Gedächtnisstütze für seine späteren Bilder dienten.
Ebenso wie die Interieurs entstanden seine Landschafts-
bilder im Atelier aus der Erinnerung oder nach vor dem
Modell angefertigten Bleistiftskizzen.® Die Nabis, die nicht
mehr das äussere Abbild der Welt wiedergeben wollten,
waren der Überzeugung, dass sich in der durch die Erinne-
rung geläuterten Form besser das Wesen der Dinge
darstellen lasse. Vuillard malte in Saint-Jacut in dem von
ihm gemieteten Haus, noch öfter aber in der Villa
Duplessis, in der die Familie Hessel wohnte. Bei dem
Ausblick aus dem Fenster auf die Häuser des Dorfes
erscheint häufig einer der Fensterflügel mit auf dem Bild.
«Village au bord de la mer» gibt die Ansicht von Saint-Jacut
vom Südbalkon der Villa Duplessis (oberhalb des Salons)
aach Osten wieder.” Im Archiv der Familie Salomon
existiert ein ganz ähnliches Photo des Künstlers, auf dem
ebenfalls die merkwürdige dunkle Baumform rechts im
Hintergrund zu sehen ist, die wie eine doppelte Rauch-
fahne aufsteigt. Das Photo kann aber nicht als Vorbild
gedient haben, da der Blickwinkel nach rechts verschoben
ist, wodurch die Windmühle wegfällt.? Am 9.9.1909 notiert
Vuillard in seinem Tagebuch: «La chambre de Lucie ...
croquis de la fene&tre, idee de panorama ... Me decide de faire
de la peinture a Phuile. Badigeonne malgre le temps sombre
jusqu’2 6 h. ... Soleil couchant rose ... soir orageux. Temps
melancolique ... nuit d’ouragan.»? Diese Eintragung könnte
sich auf unser Bild beziehen, zumindest ist sie in engem
Zusammenhang damit zu sehen. Der düstere Himmel gibt
tatsächlich die melancholische Stimmung eines gewittrigen
Abends wieder, der eine Sturmnacht ankündigt. Ein
Hinweis ist ebenfalls die Bemerkung über die Entschei-
dung, in Oel zu malen, ist doch Vuillards bevorzugtes
Verfahren bekanntermassen die Leimfarbenmalerei
gewesen, die seinen Bildern das angestrebte matte
Aussehen verlieh. Auch im Tagebuch von Saint-Jacut
spricht er immer wieder von «peinture 3 la colle».
[st die Landschaft in den «Blauen Hügeln» von 1900 noch
im Nabis-Stil durch eine Reduktion auf wenige grosse
Formen, eine Umdeutung der räumlichen Verhältnisse zu
dekorativen Flächengliederungen und eine Ornamentali-
sierung der Naturformen gekennzeichnet, gehört unsere
Neuerwerbung dagegen bereits in die Schaffensperiode
Vuillards, die auf den entscheidenden Umschwung um
1900 folgt und in der die flächige Kompositionsweise seiner
Nabis-Bilder endgültig von einer stärkeren Betonung des
Räumlichen abgelöst wird. Nach der Rückkehr zu einer
übersteigerten traditionellen Perspektive in den ersten
Jahren nach der Jahrhundertwende tritt gegen Ende des
ersten Jahrzehntes eine gewisse Beruhigung ein. Tiefen-
und Flächenwirkung beginnen, sich auszugleichen, wobei
die grundsätzliche Bejahung des Bildraumes ein Kennzei-
chen von Vuillards Kunst bleibt. Mit seinem Verhältnis
zum Raum wandelt sich auch das zum Licht und zur
Farbigkeit. Seine Farben werden heller und leuchtender. Es
ist die Zeit, in der die «Fauves» hervortreten und in der
Maler wie Degas und Redon sich ebenfalls zu einer inten-
siveren Farbigkeit bekennen. Bei Vuillard fällt diese Ent-
wicklung mit seinem Eintritt in die Welt der Hessel und
ıhrer Freunde zusammen. In den Darstellungen der elegan-
ten und modischen Umgebung dieser Pariser Gesellschaft
und ihrer luxuriösen Appartements, die in stärkstem
Gegensatz zu der bescheidenen Wohnung und dem
Schneideratelier seiner Mutter stehen, bildet sich eine neue
Auffassung von Raum. Licht und Farbe heraus.