Die Werkauswahl, die eine Zeitspanne von über 30
Jahren umfasste, war weitestgehend mit dem Künstler
selbst verabredet worden, der seinem eigenen Werk jene
kritische Distanz des «Konzeptualisten» entgegenbringt,
um eine solche stringent treffen zu können. Die Auswahl
bot insofern Neues, als erstmals in grösserem Umfang
Einzelwerke und Werkgruppen bis Mitte der sechziger
Jahre miteingeschlossen und für die gesamte Folgezeit
bestimmte Schaffensperioden akzentuiert wurden. Damit
sollte für den Betrachter, der begrenzte Teile des jeweils
aktuellen malerischen Schaffens 1975 und 1981 in der
Berner Kunsthalle gesehen haben mag, die erstaunliche
Vielfältigkeit eines Künstlers im bildnerischen Denken
erfahrbar werden, dessen Namen sich den meisten
ausschliesslich mit «Strichmännchen» oder «Zeichen
einer primitiven Zivilisation» verbunden hatte.
Der Grundriss der Ausstellungsarchitektur, auf einen
eigens für Zürch entwickelten Entwurf des Künstlers
zurückgehend, leitete den Besucher in mäanderartig sich
öffnenden Räumen chronologisch durch die Bildwelten
Pencks, die sich jeweils wiederkehrenden Themen im Werk
zwangslos zuordnen liessen: Von den frühen pastosen
Gemälden, die die Auseinandersetzung des jungen Ralf
Winkler mit Rembrandt und Picasso wiederspiegeln, über
die von ihm sogenannten «System»- und «Weltbilder»
Mitte der sechziger Jahre, zu den berühmtgewordenen
«Standarts» am Ende des Dezenniums. Diesen folgten
die explosiv gestischen oder auch silhouettenhaft
zefassten, meist auf schwarz-weiss-Kontraste reduzierten
zrossformatigen Gemälde, die der Künstler mit dem Pseu-
donym «Mike Hammer» und darauf «T.M.» verband, die
°xpressiv farbige, figurative «Chamäleon»-Serie und
schliesslich die in England entstandenen, eher malerischen
Ilbilder, die zahlreiche Elemente der einmal gefundenen
Bildsprache erneut variierten.
Die Ausstellung wurde von rund 20000 Personen
desucht und in der Fachpresse sehr positiv aufgenommen.
Karl Geiser
Nach über dreissig Jahren war das Werk von Karl Geiser
(1898-1957) endlich wieder im Überblick zu sehen und
somit künstlerisch und kunsthistorisch überprüfbar. Die
Werkliste umfasste 72 Bronze- und Gipsplastiken, die auf
Podesten zusammengezogen, sich chronologisch und
thematisch wie Inseln im Saal gruppierten, gleichzeitig
aber auch — Geisers Art, seine Stücke aufzustellen, nach-
empfunden — Atelieratmosphäre evozierten. Eine Aus-
wahl aus Geisers einzigartigem Radierungswerk führte
die Ausstellung ein und setzte sich mit Modellstudien und
den Zeichnungsserien «Paris» und «Marseille» fort. Erst-
mals wurde das der Schweizerischen Stiftung für die
Photographie überlassene Photoarchiv Geisers ausge-
wertet, die wie die Zeichnungen einerseits Verbindungen
zur Bildhauerei aufweisen, im wesentlichen jedoch als
autonomer künstlerischer Ausdruck zu überzeugen ver-
mögen (siehe Katalogbeitrag zur Photographie von Rein-
hold Hohl). Die Zusammenarbeit mit dem Nachlass-
Betreuer Felix Kohn, mit dem Schweizerischen Institut für
Kunstwissenschaft (insbesondere mit Urs Hobi), mit den
Geiser-Kennern Hans Naef und Niklaus Morgenthaler
5escherte uns nicht nur alle erwünschten Leihgaben (sogar
die beiden «Berner Gruppen»), sie erlaubte die Publikation
eines Katalogs, in dem Geisers Werk endlich über die
Ausstellung hinaus wieder dokumentiert ist. Dass im
Limmat-Verlag gleichzeitig die Biographie «Der Mann mit
der Hand im Auge. Die Lebensgeschichte von Karl Geiser»
von Jan Morgenthaler erschien, bedeutete einen weiteren
Glücksfall. Der wohl wichtigste Schweizer Bildhauer der
Zwischenkriegszeit, der in nicht unproblematischer Weise
am «realistischen Bild des Menschen» festhielt, kehrte —
von einigem Effort begleitet und mit eigener Ausstrahlung
in eine überaus interessierte Kunstöffentlichkeit zurück.
Egon Schiele und seine Zeit
Aus der Sammlung Leobold, Wien
Das Kunsthaus hatte schon längere Zeit den Wunsch,
eine Ausstellung des österreichischen Malers und Zeich-
ners Egon Schiele (1890-1918), der bereits zu seinen Leb-
zeiten in unserem Haus ausgestellt hatte, zu veranstalten.
Seit einer ersten Information über österreichische Kunst
1958 in der Kunsthalle Bern war nicht mehr viel gesche-