Bild von 1982 eng verwandt. Sigmar Polke dürfte wohl der
einflussreichste Künstler dieser Gruppe sein; er hält nun als
letzter im Kunsthaus Einzug, nachdem entsprechende
Bemühungen anlässlich seiner Zürcher Ausstellung 1984
leider zu keinem Resultat führten. «Neid und Habgier»
ist ein grosses Werk, das mit den wesentlichen Techniken
seines künstlerischen Vorgehens ein zentrales Problem
unserer Lebenswelt in allgemein verständlicher Form ana-
lysiert. Die Art der kritischen gedanklichen Auseinander-
setzung, die hier unabweisbar gefordert ist, erleichtert
und vertieft dem Betrachter auch das Verständnis der
Gemälde von Kiefer, Baselitz oder Penck.
Entsteht der Eindruck, an das Ende einer Entwick-
lungsphase gestossen zu sein, bedarf es einer Neuorien-
tierung. Während sich ein breites Publikum an den hohen
Preisen stösst, bereitet anscheinend selbst dem Kunsthaus
nahestehenden Kreisen die Verschiedenartigkeit der
Neuzugänge, wie sie sich in der Jubiläumsausstellung
oder auch in den Jahresberichten zeigt, Mühe. Dabei
wird zweierlei nicht oder zuwenig bedacht: einerseits
sind die Geschenke weit zahlreicher als die Erwerbungen
aus den regulären Mitteln und können naturgemäss nicht
oder nur beschränkt gelenkt werden. Das Kunsthaus dient
in unserer pluralistischen Gesellschaft ganz unterschiedli-
chen Kreisen und Interessen: weder die Zünfter noch die
Stadt möchten aus gegebenen Anlässen ein avantgardisti-
sches Werk schenken; dem einen ist ein altzürcherisches
Tafelgemälde aus der Zeit der Zunftherrschaft, dem andern
ein Bild des hier volkstümlichen Marc Chagall erwünscht.
Zum zweiten wird übersehen, dass der Sinnzusammen-
hang der Neuzugänge nicht der Jahresbericht, sondern das
Ganze der Sammlung ist: ein Gefüge mit vielen offenen
Enden, an denen bei sich bietender Gelegenheit weiter zu
bauen ist. So haben es jetzt ausserordentliche Mittel
ermöglicht, längst erwünschte, aber sonst stets uner-
reichbar teure Gemälde für die Amerikaner-Gruppe zu
erwerben. Oder, um ein Beispiel anderer Art zu nennen:
erst die bedeutende Gruppe italienischer Gemälde des
17. und 18. Jahrhunderts, die dank der Stiftung Koetser
ins Kunsthaus gelangte, machte ein Figurenbild von Ange-
lika Kauffmann als Verbindungsglied zur Sammlung
schweizerischer Maler, insbesondere zu Füssli, zu einem
Desiderat. Verfolgt man die Entstehung der wesentlichen
Werkgruppen unserer Sammlung, lässt sıch zwar öfters
eine Gründungsphase erkennen: doch die zentralen
Hauptwerke wurden meist erst später erhältlich.
Obwohl es als sinnvoll und wünschenswert erscheint,
die vorhandenen Schwerpunkte gezielt zu verbessern, steht
wie seit eh und je die zeitgenössische Kunstproduktion im
Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit. Als Vorhut und
Spähtrupp sucht die autonome Gruppe Junge Kunst der
Vereinigung Zürcher Kunstfreunde nach neuen erfolgver-
sprechenden Künstlern, und auch die Direktion lässt sich
in diesem Bereich innerhalb ihrer Kompetenzspanne
von Fr. 25 000.— gelegentlich zu einem Kauf hinreissen.
Es kennzeichnet aber die heutige Situation, dass diese
Limite schon sehr bald überschritten wird — längst bevor
durch eine gewisse Konsistenz der Entwicklung die länger-
fristige Bedeutung des Künstlers erwiesen werden könnte.
Da man mit der Krise des Fortschrittglaubens auch von
dem Konzept der «Avantgarden» und der Idee einer zwin-
genden, führenden Entwicklungslinie abgekommen ist,
ergibt sich eine neue Offenheit für vielfältige Möglich-
keiten, die freilich sowohl für die Künstler als auch für
Museumssammlungen die Gefahr schwankender Belie-
bigkeit noch verstärkt. Der Verlauf der Produktion der
jüngeren «Neuen Wilden» weist diese drastisch auf; die
eruptive Intensität des frischen Beginnens hat sich
verflüchtigt, die Vertiefung und Verdichtung eines kon-
sequenten Reifens erreichen nur wenige.
Es scheint, dass in dieser Situation das Arbeiten mit
dreidimensionalen, eigengewichtigen Materialien eher zu
überzeugenden Lösungen führt als die Malerei. Mehrere,
sehr eigenständige Künstler, deren Anfänge stark kon-
zeptuell bestimmt waren, haben zu sinnlich dichten, ja
monumentalen Formulierungen gefunden, die elementare
Ursprünglichkeit mit komplexer Vielschichtigkeit der
Aussage zu vereinen vermögen. Diese Qualitäten sehen wir
etwa in den reifen Werken von Mario Merz und Ulrich
Rückriem; von beiden konnten 1985 aus Ausstellungen
hervorragende Werke erworben werden. 1988 fand sich eine
ähnlich eindrückliche und im Museum isolierbare Arbeit
von Christian Boltanski. Auf diesem, von den wechselnden
Moden merkwürdig abgehobenen Kreis möchten wir in
nächster Zeit unser Bemühen konzentrieren; mehrere
konkrete Vorstösse sind bereits in die Wege geleitet.