Full text: Jahresbericht 1988 (1988)

Presse numeriert. 60 Exemplare 30 Mk.» Der Plan, die 
Blätter zu aquarellieren, wurde nicht ausgeführt. In der 
ım Februar 1920 erschienenen Dada-Publikation «Die 
Schammade» heisst es in einer Anzeige der Mappe 
«... Die Blätter wurden im Auftrag der Stadt Köln ge- 
zeichnet. Es ist dies der erste Fall, in dem eine Stadt- 
verwaltung als Auftraggeber eines dadaistischen Kunst- 
werkes dasteht.» 
Als «Huldigung für Chirico» schafft Max Ernst «Fiat 
Modes. ..»: Bei einem Besuch in München mit Baargeld 
im September 1919 sieht er eine Ausstellung von Paul 
Klee in der Galerie Hans Goltz und entdeckt in der der 
Galerie angeschlossenen Buchhandlung mehrere Num- 
mern der Zeitschrift «Valori plastici» mit reproduzierten 
Werken von de Chirico und Carrä. Gesichtslose, glieder- 
puppenartige Wesen in ausgestorbenen städtischen Stras- 
sen und Plätzen von traumhafter Räumlichkeit. Über den 
Eindruck der Zeichnungen de Chiricos schreibt er: «Ich 
zlaubte, etwas wiederzuerkennen, was mir seit jeher ver- 
traut gewesen war, so als ob etwas Altbekanntes einen 
ganzen Bereich der eigenen Traumwelt enthüllte, den 
man durch Einschalten einer Art Zensur nicht hatte 
sehen und verstehen wollen.» In der Buchhandlung er- 
ährt er, dass Arp in Zürich wirkt, und sieht eine Reihe 
von Zürcher Dada-Publikationen. Unter anderen die 
letzten Zeitschriften-Nummern «Dada 4/5» und «391 
No. 8» mit den mitmechanistischen Zeichnungen von 
Picabia geschmückten Titelblättern und eingestreuten 
«Dessins mecaniques». Max Ernst befand sich ja von 
19141918 im Krieg und wusste nichts von den Aktivi- 
täten der Dadas in Zürich. 
Der Künstler schwelgt nun in einer unendlichen 
Traumwelt — bevölkert mit wenigen gesichtslosen, mario- 
nettenhaften Wesen — in mit geheimnisvollen Appara- 
turen, Maschinen und Instrumenten möblierten labora- 
toriumartigen Räumen, in phantastischen Architekturen 
mit steil verlaufenden, stürzenden Perspektiven. Raum 
und Zeit und sämtliche Grössenverhältnisse scheinen 
aufgehoben. Auf einem Blatt finden sich zwei Laterna- 
magica-Darstellungen mit auf dem Kopf stehenden, pup- 
penartigen Winzlingen und zwei an einem Flaschenzug 
hilflos hängenden Wesen. In die Komposition sind merk- 
würdige mathematische Formeln. Buchstaben, ironische 
Sätze als figurative Elemente integriert. Sätze wie «Dada 
nobis valutamtam Pacis», «Finger weg von der hl. cunst», 
das sakrale Wort Kunst hier mit «c» geschrieben. Eigen- 
artig sind auch die im Stein geschriebenen verschieden- 
artigen Signaturen: Die Blätter 1 und 5 signiert der Künst- 
ler mit «Ernst», auf Blatt 2 findet sich die Signatur 
«Dadam Ernst», die Blätter 3 und 6 tragen die Signatur 
«Max Ernst», und die Lithographien 4, 7 und 8 schliess- 
lich sind mit «Dadamax Ernst» signiert. 
Schliesslich ein Wort zur Widmung an Ilia Zdanevitch. 
Bei ihm handelt es sich um den 1894 in Tiflis geborenen 
und 1975 in Paris verstorbenen russischen Dichter, der 
später unter dem Namen Iliazd als grosser Buchgestalter 
und Buchkünstler bekannt wurde und dem wir neben 
neun illustrierten Werken von Picasso bedeutende illu- 
strierte Bücher von Max Ernst wie «Maximiliana», eines 
der schönsten illustrierten Werke des Künstlers, ferner 
von Alberto Giacometti, Raoul Hausmann, Miro, Ribe- 
mont-Dessaigne, Leopold Survage, Jacques Villon u.a. 
verdanken. Im Jahr 1949 publizierte er eine vielbeachtete 
Anthologie von Lautgedichten unter dem Titel «Poesie 
de mots inconnus» mit Texten von Arp, Ball, Hausmann, 
Krutchenykh, Picasso, Schwitters, Tzara u.a. Das Werk 
enthält originalgraphische Illustrationen von Arp, 
Chagall, Alberto Giacometti, Gleizes, Hausmann. Leger, 
Matisse, Miro, Picasso, Wols u. a. 
Die Lithographien von «Fiat Modes» sind in einer 
dünnen, schattenlosen Linie gezeichnet, in einer vom 
Künstler bewusst gewählten anonymen Handschrift. Als 
Ganzes handelt es sich bei «Fiat Modes» um ein hand- 
werklich und künstlerisches Meisterwerk. 
Hans Bolliger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.