Volltext: Jahresbericht 1988 (1988)

unglaublich plastischen Dinglichkeit der altniederlän- 
dischen Malerei zu den Tafeln Brueghels, erscheinen die 
Farben merkwürdig fahl und dünn und das formale 
Gefüge spannungsärmer. 
Bei Polke lässt sich Ähnliches beobachten. Es würde 
seinen künstlerischen Absichten widersprechen, wenn die 
ästhetische Verklärung nicht stets in ihrer Mache deutlich 
und auf ihr materielles Substrat hin durchsichtig bliebe. 
Dieser medienkritische Verfremdungseffekt scheint inter- 
essanterweise in den abstrakten Bildern kaum erreichbar 
zu sein; auch die stärksten formalen Brüche können der 
harmonisierenden Ästhetisierung nicht widerstehen. Die 
Ambivalenzen auf formaler und inhaltlicher Ebene hin- 
gegen, die Entsprechendes in unserer gegenwärtigen 
Situation bewusst machen, beruhen auf diesem Schwebe- 
zustand, ın dem sowohl die Leere der wertlosen Mate- 
tlalien und entwerteten Bildzeichen als auch ihre Ver- 
zauberung durch manipulierende Konstruktionen wirk- 
sam werden. «Neid und Habgier», in dem Polke seine das 
Frühwerk dominierende Rastertechnik mit den in den 
letzten Jahren in den Vordergrund gerückten «alche- 
mistischen» Praktiken aussagekräftig kombiniert, bringt 
diesen Angelpunkt seiner Kunst umfassend zur Geltung. 
Christian Klemm 
A.R. PENCK 
WELTBILD, 1961 
Mit dem Ankauf des sogenannten «Weltbildes 1» von 
A.R. Penck durch die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde 
ist es gelungen, eines der wichtigsten Bilder des deutschen 
Malers, Bildhauers, Zeichners, Graphikers, Kunsttheo- 
retikers und Musikers für die Sammlung des Kunst- 
hauses zu erwerben. Der im Jahr des Ausbruchs des Zwei- 
ten Weltkrieges, 1939, in Dresden als Ralf Winkler ge- 
borene Künstler ist hierzulande seit Mitte der siebziger 
Jahre unter verschiedenen Pseudonymen bekannt 
geworden, die er jeweils einer bestimmten «Stilphase» 
beziehungsweise einer Werkgruppe zuordnete. AR. Penck, 
wie er sich um 1968 genannt hat, ist mit den Jahren zu 
seinem eigentlichen Künstlernamen geworden. 
Von heute aus gesehen ist Penck mit dem Weltbild von 
1961 — wenngleich vom «westlichen» Kunstpublikum noch 
jahrelang unentdeckt — der künstlerische Durchbruch 
gelungen: ein Durchbruch im Sinn der Entwicklung einer 
eigenständigen und unverwechselbaren Bildsprache; ein 
Durchbruch aber auch im Hinblick auf eine erste gestal- 
terische «Summe» seiner bisherigen Bildforschung, die 
sich sowohl von den «realistischen» Bildern aus der zwei- 
ten Hälfte der fünfziger Jahre entscheidend absetzen wie 
auch wichtige Perspektiven für seine künstlerische Zukunft 
eröffnen sollte. Der programmatische Titel Weltbild nahm 
dabei Bezug auf die Haltung des zunehmend isoliert und 
später im Untergrund arbeitenden Künstlers gegenüber 
einer «Welt», die sich ihm theoretisch als Netz von (poli- 
tischen) Systemen darstellte. We/rbild lässt aber auch jene 
epochenübergreifende traditionelle Bildformel assozi- 
jeren, die mit panoramatisch aufgefassten Landschafts- 
darstellungen weniger ein «Porträt» der Landschaft im 
topographischen Sinn denn einen «idealen» Lebensraum 
wiedergeben wollte, gleichsam sämtliche natürlichen und 
zivilisatorischen Ereignisse in eine virtuell globale Sicht 
mit einschliessend: die «Weltlandschaft». 
Seit etwa 1953 hatte Ralf Winkler vor allem Bilder 
gemalt, die auf die Auseinandersetzung mit Künstlern der 
klassischen Moderne verweisen, vor allem mit Van Gogh 
und Picasso, wobei ihn gerade beim grossen Spanier von 
Anfang an weniger die eigentlichen Stilprobleme als Fra-
	        
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