Volltext: Jahresbericht 1989 (1989)

Die mystischen Bilder der späten vierziger und der fünf- 
ziger Jahre sowie die komplexen Kosmologien eines eklek- 
tischen Dalis der sechziger Jahre leiteten über zum Schluss- 
panorama der Ausstellung, das in drei Räumen drei 
verschiedene Aspekte von Leben und Werk des spanischen 
Meister aufzeigen konnte: den relgzösen Dali mit Bildbei- 
spielen seiner von ihm selbst sogenannten «Nuklearen 
Mystik», den mondänen Dali, der «photorealistische» 
Auftragsportraits und szenische Entwürfe für verschiedene 
Bühnenwerke ausführt, sowie den Dali der stets neugierig 
vorangetriebenen visuellen Recherchen mit op- und 
pop-artigen Gemälden und den Bildpaaren seiner «stereo- 
metrischen Malerei». 
Der weitgehend chronologisch entwickelte und mit 
Plastiken und Objekten aus allen Schaffensphasen akzen- 
tuierte Hauptstrang der Ausstellung wurde begleitet von 
sechs kleineren Räumen, die als Studienkabinette für 
Zeichnungen, graphische Zyklen, Mode- und Möbelent- 
würfe, illustrierte Bücher und Filmkonzepte usw. dienten. 
Zwei kleinere Sonderausstellungen im Kunsthaus waren 
dazu bestimmt, dem Betrachter überdies zwei wichtige 
Facetten von Dalis Werk näherzubringen: zum einen die 
rund 130 einzelne Zeichnungen umfassenden Originalvor- 
lagen zur 1942 erschienenen Autobiographie The Secret Lifeof 
Salıador Dali und zum andern eine umfangreiche, mit der 
Schweizerischen Stiftung für die Photographie erarbeitete 
Photoausstellung, die den katalanischen Künstler über 
rund 60 Jahre hinweg als scheinbar unermüdlichen Selbst- 
darsteller zeigte, sowohl in unbekannten, anonymen Bil- 
dern wie auch in Meisterwerken so bekannter Photo- 
künstler wie Man Ray, Brassai, Cecil Beaton und Philippe 
Halsman. 
Ein Film- und Video-Programm rundete die drei 
Ausstellungsteile im Grossen Ausstellungssaal und im 
Graphischen Kabinett zu einer Gesamtschau ab, die unter 
dem in der Presseflut lancierten Stichwort «Dali total» mit 
über 210000 Besuchern insgesamt den grössten Tages- 
durchschnitt in der Geschichte des Kunsthauses verbu- 
chen konnte. 
Der über 500 Seiten starke, von Karın Frank v. Maur 
(Staatsgalerie Stuttgart) erarbeitete und im Stuttgarter 
Verlag Gerd Hatje erschienene Katalog wurde in Zürich 
durch eine Broschüre ergänzt. die die zusätzlichen Expo- 
nate aus dem Legat Dali und der Fundaciön Gala-Salvador- 
Dali in Figueras auflistete und kommentierte. 
Wols 
Das Kunsthaus Zürich musste seit der ersten Anfrage von 
Rene Wehrli anlässlich der Biennale Venedig 1958 lange 
warten, bis seine Wols-Ausstellung «stand». Die Geduld 
und Zähigkeit aber haben sich zweifellos gelohnt. Dank der 
Mitarbeit von Sylvia und Ewald Rathke sowie der Schwe- 
ster des Künstlers, Elfriede Schulze-Battmann, gelang es. 
die bislang grösste Zahl von Aquarellen, Zeichnungen, Bil- 
dern, Radierungen und Photographien eines Künstlers zu- 
sammenzubringen, dessen abenteuerliches Leben sich 
noch immer auch in den enormen Schwierigkeiten spie- 
gelt, sein Werk der. Öffentlichkeit vorzustellen. Dass dies 
fünfzehn Jahre nach der letzten Retrospektive in Berlin 
und Paris wieder möglich wurde, verdankten viele Kunst- 
kenner, Sammler und in einem ungewöhnlichen Ausmass 
begeisterte und berührte Künstler in spontanen Reak- 
tionen. Insbesonders in Deutschland und Italien fand die 
Ausstellung eine ausführliche und intensive Resonanz in 
der Presse. Dass Wols hingegen kein «breites Publikum» 
anzieht, bestätigte sich auch an einem «Ausstellungsge: 
spräch»: die kleinen Blätter eines radikalen Einzelgingers 
werden wohl noch für lange zum inneren Bilderschatz von 
Individualisten gehören und den Massenmedien unzu- 
gänglich bleiben. 
Die Ausstellungseinrichtung war entsprechend für 
Besucher konzipiert, die sich mit viel Musse als «Einzel- 
Gänger» in die rund 200 Aquarelle und Zeichnungen 
vertiefen konnten, welche zwischen 1939-1945 entstanden 
und den europäischen Tachismus der Nachkriegsjahre 
vorbereiteten. Ein einleitendes Kapitel machte die Wurzeln 
von Wols im Surrealismus deutlich; die nach Motiven ge 
gliederten Blätter liessen die Entwicklung zur Abstraktion, 
den Weg «nach innen» anschaulich werden. Die erste 
Gruppe der 1946/47 in Paris geschaffenen Ölbilder machte 
die innere Welt von Wols schlagartig erfahrbar: Bilder als 
Psychogramme. Jedes von anderer Farbigkeit und Struktur, 
scheinen sie mehr pulsierende Organismen als absichts- 
volle Kunstwerke. Diesen Zugang zur lebensnotwendig-
	        
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