Die mystischen Bilder der späten vierziger und der fünf-
ziger Jahre sowie die komplexen Kosmologien eines eklek-
tischen Dalis der sechziger Jahre leiteten über zum Schluss-
panorama der Ausstellung, das in drei Räumen drei
verschiedene Aspekte von Leben und Werk des spanischen
Meister aufzeigen konnte: den relgzösen Dali mit Bildbei-
spielen seiner von ihm selbst sogenannten «Nuklearen
Mystik», den mondänen Dali, der «photorealistische»
Auftragsportraits und szenische Entwürfe für verschiedene
Bühnenwerke ausführt, sowie den Dali der stets neugierig
vorangetriebenen visuellen Recherchen mit op- und
pop-artigen Gemälden und den Bildpaaren seiner «stereo-
metrischen Malerei».
Der weitgehend chronologisch entwickelte und mit
Plastiken und Objekten aus allen Schaffensphasen akzen-
tuierte Hauptstrang der Ausstellung wurde begleitet von
sechs kleineren Räumen, die als Studienkabinette für
Zeichnungen, graphische Zyklen, Mode- und Möbelent-
würfe, illustrierte Bücher und Filmkonzepte usw. dienten.
Zwei kleinere Sonderausstellungen im Kunsthaus waren
dazu bestimmt, dem Betrachter überdies zwei wichtige
Facetten von Dalis Werk näherzubringen: zum einen die
rund 130 einzelne Zeichnungen umfassenden Originalvor-
lagen zur 1942 erschienenen Autobiographie The Secret Lifeof
Salıador Dali und zum andern eine umfangreiche, mit der
Schweizerischen Stiftung für die Photographie erarbeitete
Photoausstellung, die den katalanischen Künstler über
rund 60 Jahre hinweg als scheinbar unermüdlichen Selbst-
darsteller zeigte, sowohl in unbekannten, anonymen Bil-
dern wie auch in Meisterwerken so bekannter Photo-
künstler wie Man Ray, Brassai, Cecil Beaton und Philippe
Halsman.
Ein Film- und Video-Programm rundete die drei
Ausstellungsteile im Grossen Ausstellungssaal und im
Graphischen Kabinett zu einer Gesamtschau ab, die unter
dem in der Presseflut lancierten Stichwort «Dali total» mit
über 210000 Besuchern insgesamt den grössten Tages-
durchschnitt in der Geschichte des Kunsthauses verbu-
chen konnte.
Der über 500 Seiten starke, von Karın Frank v. Maur
(Staatsgalerie Stuttgart) erarbeitete und im Stuttgarter
Verlag Gerd Hatje erschienene Katalog wurde in Zürich
durch eine Broschüre ergänzt. die die zusätzlichen Expo-
nate aus dem Legat Dali und der Fundaciön Gala-Salvador-
Dali in Figueras auflistete und kommentierte.
Wols
Das Kunsthaus Zürich musste seit der ersten Anfrage von
Rene Wehrli anlässlich der Biennale Venedig 1958 lange
warten, bis seine Wols-Ausstellung «stand». Die Geduld
und Zähigkeit aber haben sich zweifellos gelohnt. Dank der
Mitarbeit von Sylvia und Ewald Rathke sowie der Schwe-
ster des Künstlers, Elfriede Schulze-Battmann, gelang es.
die bislang grösste Zahl von Aquarellen, Zeichnungen, Bil-
dern, Radierungen und Photographien eines Künstlers zu-
sammenzubringen, dessen abenteuerliches Leben sich
noch immer auch in den enormen Schwierigkeiten spie-
gelt, sein Werk der. Öffentlichkeit vorzustellen. Dass dies
fünfzehn Jahre nach der letzten Retrospektive in Berlin
und Paris wieder möglich wurde, verdankten viele Kunst-
kenner, Sammler und in einem ungewöhnlichen Ausmass
begeisterte und berührte Künstler in spontanen Reak-
tionen. Insbesonders in Deutschland und Italien fand die
Ausstellung eine ausführliche und intensive Resonanz in
der Presse. Dass Wols hingegen kein «breites Publikum»
anzieht, bestätigte sich auch an einem «Ausstellungsge:
spräch»: die kleinen Blätter eines radikalen Einzelgingers
werden wohl noch für lange zum inneren Bilderschatz von
Individualisten gehören und den Massenmedien unzu-
gänglich bleiben.
Die Ausstellungseinrichtung war entsprechend für
Besucher konzipiert, die sich mit viel Musse als «Einzel-
Gänger» in die rund 200 Aquarelle und Zeichnungen
vertiefen konnten, welche zwischen 1939-1945 entstanden
und den europäischen Tachismus der Nachkriegsjahre
vorbereiteten. Ein einleitendes Kapitel machte die Wurzeln
von Wols im Surrealismus deutlich; die nach Motiven ge
gliederten Blätter liessen die Entwicklung zur Abstraktion,
den Weg «nach innen» anschaulich werden. Die erste
Gruppe der 1946/47 in Paris geschaffenen Ölbilder machte
die innere Welt von Wols schlagartig erfahrbar: Bilder als
Psychogramme. Jedes von anderer Farbigkeit und Struktur,
scheinen sie mehr pulsierende Organismen als absichts-
volle Kunstwerke. Diesen Zugang zur lebensnotwendig-