Volltext: Jahresbericht 1989 (1989)

Eine wichtige Aufgabe der Werkpräsentation bestand 
darin, in sinnlich erfahrbarer Weise zum Ausdruck zu 
bringen, inwieweit sich Scherer einerseits von den Ideen 
Kirchners hatte anregen und beeinflussen lassen und wie 
sehr es ihm andererseits gelungen war, einen eigenen und 
von heute aus gesehen auch eigenständigen Weg einzu- 
schlagen. Innerhalb der erneut aufgenommenen Diskus- 
sion zur expressionistischen Plastik galt es, Scherer vom 
Stigma des Kirchner-Schülers oder gar Kirchner-Epigonen 
zu befreien. 
Die Ausstellung fand einen sehr positiven Widerhall 
sowohl in der Fachpresse wie auch bei einem breiten 
Publikum, hier vor allen bei der Lehrerschaft sowie weite- 
ren Kunst-Vermittlern. Auffällig war vor allem, wie viele 
Betrachter sich zeichnend und skizzierend mit dem dreidi- 
mensionalen Werk Scherers auseinandersetzten. 
Der vom Schweizerischen Institut für Kunstwis- 
senschaft betreute Katalog reproduzierte sämtliche 
Plastiken und unterstützte deren wissenschaftliche Aufar- 
beitung mit Kommentaren und zusätzlichen Bilddoku- 
menten. 
Comensoli 
Die Eröffnung der Ausstellung Mario Comensoli hatte den 
Charakter einer Volksabstimmung: über tausend Gäste un- 
terstrichen den Wunsch, das Werk einer unverwechsel- 
baren Persönlichkeit der Schweizer und Zürcher Kunst- 
szene ım Museum «seiner» Stadt zu sehen. 1922 in Lugano 
geboren, kam Comensoli 1945 nach Zürich, wo er seither in 
auffälliger Distanz zum offiziellen Kunstbetrieb als ein 
Vertreter des Realismus arbeitet. Immer versucht er, die 
gesellschaftlichen Probleme der Zeit in eigentlichen Bild- 
zyklen zu fassen, am gültigsten wohl in den «Lavoratori in 
blu» der späten fünfziger Jahre. Über die Darstellung der 
Vereinsamung des Menschen in der Grossstadt gelangte er 
— jetzt in der Nähe der Pop-Art — zur Persiflierung der 
Konsumgesellschaft, später zur kritischen Befragung des 
68er-Aufstands, der Frauenbewegung und seit 1982 der «no 
future»-Generation. Dieser jüngste Zyklus stand im 
Zentrum der Ausstellung, durchsetzt mit Beispielen 
früherer Phasen, um Kontinuität und Entwicklung seines 
Schaffens deutlich zu machen. An dieser Gegenüberstel- 
lung entzündete sich die Diskussion, ob es Comensoli 
gelungen sei, das schwierige Thema der gefährdeten 
Existenz Jugendlicher in den Randzonen der Gesellschaft 
in einer seinen Arbeiterbildern entsprechenden Würde zu 
gestalten. So fand eine nicht unumstrittene Präsentation 
seines Werks mit einem Übergewicht neuerer Bilder jene 
geteilte Aufnahme, die Comensoli innerhalb der Kunst- 
welt schon immer erfahren hatte. Ein grosses, sozial enga- 
giertes Publikum hingegen blieb dem Künstler treu, was 
sich z.B. darin zeigte, dass der Katalog schon während der 
Ausstellung ausverkauft war. 
Video-Skulbtur: retrospektiv und aktuell 1963-1989 
Aus dem vom Kölnischen Kunstverein realisierten, erstma- 
ligen Überblick über ein Vierteljahrhundert internatio- 
naler Videoskulptur konnten wir eine auf unsere spezifi- 
sche Raumsituation im Erdgeschoss und im ersten Stock 
des Altbaus zugeschnittene Auswahl treffen. In konzen- 
trierter Form zeigten wir historisch wichtige Videoskulp- 
turen der Pioniergeneration (Douglas Davis, Wolf Kahlen, 
Les Levine und Nam June Paik), in denen man die durch 
das Fernsehen entwickelten Sehgewohnheiten attackierte 
und das Verhältnis zwischen Realität und Abbild reflek- 
tierte, sowie die bereits klassischen Closed-circuit-Installa- 
tionen vom Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, 
Räume, in denen eine Kamera aufzeichnet und dies auf 
einem Monitor oder vom einem Projektor wiedergegeben 
wird (Peter Campus, Dan Graham und Bruce Nauman). 
Die Ausstellung umfasste weiterhin Videoinstallationen 
der jüngeren Generation, die bereits mit dem Fernsehen 
aufgewachsen ist und die neuen Technologien mit grosser 
Selbstverständlichkeit einsetzt (Abramovic/Ulay, Klaus 
vom Bruch, Alexander Hahn, Gary Hill, Dieter Kiessling, 
Beryl Korot, Marcel Odenbach, Tony Oursler, Fabrizio 
Plessi, Servaas und Bill Viola). Damit konnten einem 
breiten Publikum die spezifischen Möglichkeiten und 
Qualitäten dieses künstlerisch genutzten Mediums
	        
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