lichste Formulierung aber fand Rembrandt mit der rie-
sigen, von hinten gesehenen Staffelei im Vordergrund und
dem kleinen Maler an der Rückwand (Boston). Entspre-
chend der allgemeinen Entwicklung von Interieur-Darstel-
lungen kamen in den vierziger Jahren reichere Ausstat-
tungen auf: unsere Werkstatt lässt davon nichts verspüren,
denn sie zeigt die römische Werkstatt eines Malers, der in
der Tradition des Haarlemers Pieter van Laer stand. Durch
das charakteristisch hoch gelegene Atelierfenster ohne
Flügel und Läden erspäht man eben noch die obersten
Teile zweier Häuser, die uns zusammen mit dem intensiven
Licht nach Italien versetzen.
Johann Lingelbach wurde 1622 in Frankfurt geboren;
um 1635 übersiedelte seine Familie, wohl der desolaten
Zustände mitten im Dreissigjährigen Krieg wegen, nach
Amsterdam.? Hier pachtete der Vater 1636 den «Nieuwe
Doolhof», einen bekannten und vielbesuchten Irrgarten
und Lustort mit Fontänen und kunstreichen Schau-
Uhrwerken, die Johanns älterer Bruder, der Uhrenmacher
Philipp, betreute und entwickelte. Auf diese Beziehung
dürfte die Wanduhr im Hintergrund unseres Gemäldes
aılnweisen; sie gehört durchaus nicht zur normalen Aus-
stattung von Atelierbildern und ist auch in anderen Inte-
tleurs sehr selten.? Nach seiner Ausbildung zog Lingelbach
zwanzigjährig über Frankreich nach Rom, wo er von 1644
bis zum 8. Mai 1650 weilte. Zurückgekehrt, wohnte er an
der Rozengracht; dort hatte sein Vater inzwischen einen
zweiten Lustgarten oder Vergnügungspark angelegt. Dem
äusseren Wohlstand entsprach die künstlerische Reputa-
tion; so bemerkt sein erster Biograph Arnold Houbraken in
der Vita Griffiers, dieser hätte Gelegenheit gehabt, «die
Arbeiten der besten Meister seiner Zeit, wie Lingelbachs,
van de Veldes, Ruisdaels und Rembrandts, zu sehen.»*
Bisher waren nur die drei letzteren in der Ruzicka-Stiftung
vertreten, während andererseits in der Sammlung Koetser
ein kleines Gemälde Lingelbachs in der Art Wouwermans
mit Bauern beim Holzsammeln hängt. Doch seine eigent-
liche Bedeutung liegt in den Darstellungen aus dem italie-
nischen Volksleben: die Vorliebe für Karneval und Jahr-
Marktszenen mit fahrendem Volk und fliegenden Händ-
lern mag von den elterlichen Betrieben mit angeregt
worden sein.
Um 1625 brachte Pieter van Laer den neuen Realismus
aus Haarlem nach Italien und steigerte ihn in der Begeg-
nung mit dem sinnlicheren südlichen Strassenvolkin Rom.
Dort verkehrte er in der ausgelassenen niederländischen
Malerkolonie der «Bentveughels» und wurde seiner ver-
wachsenen Gestalt wegen allgemein nur «Bamboccio»
gerufen: bis heute nennt man die von ihm aufgebrachten
Genreszenen des niedrigen Lebens «Bambocciate» und die
entsprechenden Maler «Bamboccianti». Antiakademisch
und manchmal auch etwas unanständig — auf Lingelbachs
-ömischer Badeszene im Basler Museum wurden die
nackten Burschen später teils bekleidet, teils übermalt —°
arfreuen sie sich erst seit der 1950 in Rom veranstalteten
Ausstellung wieder der Wertschätzung, die sie einst
zenossen. Lingelbachs Bedeutung in der Gruppe lässt sich
schon am Umstand ermessen, dass ihm heute vier von den
sieben damals unter dem Namen van Laers abgebildeten
Gemälden zugeschrieben werden.” Während nicht wenige
seiner späteren Werke bezeichnet sind, verzichtete er in Ita-
lien entsprechend der dort überwiegenden Praxis stets
darauf. Unserem Bild kommt als erstem signierten und
datierten und als Bindeglied der beiden deutlich unter-
schiedenen Phasen von Lingelbachs Kunst erhebliche
<unsthistorische Bedeutung zu.® Es zeigt die für die hypo-
thetische römische Produktion charakteristische, stark pla-
stische Modellierung mit hellem Schlaglicht vor recht
Jdunklem Grund und gegenüber van Laer eine gewisse
monumentale Schwere der Figur und ein nachdenklicheres
Ethos, das an die Gestalten von Michael Sweerts erinnert.
Dieser sehr eigenartige Künstler, der mit Vorliebe Maler
>eim Aktstudium in einer Akademie oder sonst beim
Zeichnen darstellte, traf um 1660 Lingelbach in
Amsterdam wieder und porträtierte ihn: der überliefernde
Stich von Bernard Vaillant bestätigt das Zürcher Gemälde
als Selbstbildnis.? Vermutlich veranlasste ihn die Rückkehr
in die Heimat, ohne Zweifel ein Wendepunkt in seinem
Leben, zum Malen dieses für ihn ganz ungewöhnlichen
3ildes; ob dies noch in Rom geschehen, wie es den
Anschein macht, oder bereits in Amsterdam, wie die
Technik nahelegt,!® lässt sich kaum mehr entscheiden.
Selbstbildnisse älterer Meister sind nicht nur als Selbst-
bekenntnisse aufzufassen, sondern stehen in bestimmten
Bedeutungstraditionen, an die hier zu erinnern ist. Der
Maler sitzt zwar bei der Staffelei, Palette und Pinsel liegen